Zusammenfassung
Oscar Fraas war einer der ersten Naturwissenschaftler, dem es gelang, die Existenz des eiszeitlichen Menschen zu belegen. Ab November 1854 bekleidete er bis 1894 verschiedene Ämter im Königlichen Naturalienkabinett in Stuttgart. Bereits in den 1860er Jahren hatte er in einer Reihe von Experimenten versucht, Spuren und Ritzungen auf eiszeitlichen Knochenfragmenten zu erklären und deren Herstellung nachzuvollziehen. Seine Arbeiten gehören zu den ersten Versuchen weltweit, mit steinzeitlichen Gerätschaften zu arbeiten. Oft handelte es sich dabei um spontane Feldversuche, deren Ergebnisse er nicht überprüfte oder deren Variablen heute nicht mehr klar nachvollziehbar sind. Zu seiner Zeit jedoch war Fraas mit seinen Arbeiten den meisten seiner Kollegen weit voraus. Insgesamt beschrieb Fraas mehrere Versuche zur Fragmentierung von Knochen und zur Zerlegung von Tieren mit Hilfe von Bärenunterkiefern.
Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die von Fraas durchgeführten Experimente. Zudem werden die durchlochten Pferdezähne und die Knochenretuscheure der ersten archäologischen Grabung im Hohle Fels 1870/71 unter der Leitung von Fraas erstmalig vorgestellt, die in der Sammlung des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart kuratiert werden. Eine neue Radiokohlenstoffdatierung belegt, dass Fraas während seiner Grabung im Hohle Fels mindestens die Tiefe der gravettienzeitlichen Schichten erreichte.
Anlässlich des Jubiläums „150 Jahre Ausgrabung im Hohle Fels“ wurden die Funde im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart in Augenschein genommen. Sie lagern dort wohl geordnet seit der ersten Ausgrabung von Oscar Fraas 1870/71 (Abb. 1 & 2).
Dabei stellte sich heraus, dass trotz der hervorragenden Magisterarbeit von Cornelia Saier (1994), noch viele Fragen zur Grabungstätigkeit von Oscar Fraas im Hohle Fels und zu den verschiedenen Fundkategorien offenblieben.
Insbesondere die Vielzahl an durchbohrten Pferdezähnen warf die Frage nach dem Alter der Funde auf.
Forschungsgeschichtliches
Die Ausgrabungen von Oscar Fraas versuchen wir in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext zu sehen. Die vorgeschichtliche Archäologie ist eine vergleichsweise junge Forschungsdisziplin. Der erste Lehrstuhl für Prähistorische Archäologie wurde 1892 an Moritz Hoernes in Wien vergeben. Daneben gruben oft Geologen oder wissenschaftlich interessierte Laien.
Bis ins 19. Jahrhundert wurde oft angenommen, dass es sich bei den Funden von Knochen eiszeitlicher Tiere um Überreste von Fabelwesen wie Drachen, Riesen oder Einhörnern handeln würde. Diesen Knochen wurden oft wundersame Heilkräfte zugesprochen. Als Beispiel sei hier der Mammutstoßzahn in der Kirche St. Michael in Schwäbisch Hall erwähnt, der als vermeintliches Einhorn Horn an prominenter Stelle aufgehängt wurde (Thenius und Vávra 1996) (Abb. 3).
Lange Zeit versuchte man, geologische und archäologische Funde auch mit Hilfe der Bibel zu erklären: Der Erzbischof von Armagh und Primas von Irland James Ussher postulierte 1650 die Erschaffung der Erde am 21. September im Jahr 4004 v.Chr. nach dem heutigen gregorianischen Kalender. Dieser sogenannte Ussher-Lightfoot Kalender galt auch vielen Archäologen als Maß für die Einordnung ihrer Funde (https://de.wikipedia.org/wiki/Ussher-Lightfoot-Kalender, besucht am 02. August 2021).
Im 18. und 19. Jahrhundert war die Theorie der Kataklysmen oder des Katastrophismus weit verbreitet. Diese Theorie besagt, dass bestimmte Faunen- und Florengesellschaften durch große Katastrophen ausgelöscht und durch neue Tier- und Pflanzenarten ersetzt wurden. Forscher wie William Buckland oder auch Oscar Fraas versuchten mit dieser Theorie das junge Alter des Menschengeschlechts zu begründen und mit dem biblisch begründeten Datum der Erschaffung des Menschen im Ussher-Lightfoot Kalender zu verbinden.
Als Begründer und großer Befürworter des Katastrophismus galt lange Zeit Georges Cuvier (1769–F1832). Er hatte im Pariser Becken eine mehrmalige Abfolge von Süßwasser- und Meeresmollusken festgestellt. Ein biblischer Bezug zur Sintflut fehlte jedoch bei Cuvier (1830).
Der Beginn wissenschaftlicher, archäologischer Forschung wird in der Regel 1836 mit der Einteilung der Vorgeschichte in Stein-, Bronze- und Eisenzeit festgelegt. Als Vater dieses sogenannten Dreiperiodensystems gilt der dänische Altertumsforscher Christian Jürgensen Thomsen (Thomsen 1836; Thomsen und Petersen 1837, 58f.). Der Begriff Altsteinzeit als Zeit des geschlagenen Steins wurde erst 1865 durch John Lubbock (Lubbock 1865) geprägt.
Die Koexistenz von Menschen und eiszeitlicher Fauna wurde jedoch von Forschern wie Cuvier abgelehnt. In Deutschland hat Oscar Fraas (1824 -1897) entscheidend zur Anerkennung der Ko-Existenz eiszeitlicher Menschen mit eiszeitlicher Fauna beigetragen.
Oscar Fraas studierte neben Theologie auch Paläontologie und Geognosie bei Quenstedt in Tübingen. Als Pfarrer arbeitete er danach in Laufen an der Eyach, bis er 1854 eine Anstellung am Königlichen Naturalienkabinett in Stuttgart erhielt. Vor seinen Grabungen an der Schussenquelle 1866 war er noch davon überzeugt, dass Menschen und eiszeitliche Tiere nicht gleichzeitig gelebt haben können.
Vor dem Hintergrund der damals eben erst aufkeimenden Evolutionsdebatte (Darwin 1859) schreibt er noch 1866 im Vorwort seines populären Buchs Vor der Sündfluth über die Arbeit eines Archäologen:
„viel mehr muss sein Streben sein, die Bilder der längst vergangenen Landschaften, mit all den Lebensbildern, die daran sich knüpfen, in der Weise dem Geist vorzuführen, daß der göttliche Schöpfungsplan daraus erhellt, der auch im niedrigsten Wesen sich äußert. Durch all die vielfachen Schöpfungsformen hindurch, von denen wegen mangelhafter Erhaltung viele noch in unverständliches Dunkel gehüllt sind, läßt sich immer ein Endziel verfolgen, das heißt: die Welt wie sie jetzt ist, mitsammt dem Menschen in Erscheinung treten zu lassen. Mittelpunkt von allem ist und bleibt ein- für allemal der Mensch, die ganze Urgeschichte weist auf ihn, als das letzte der geschaffenen Wesen hin. Wer diese Stellung des Menschen läugnen will, und an seiner natürlich thierischen Seite hängen bleibend ihn nur, als veredeltes Säugethier neben Affen und Elephanten stellt, der schändet wahrlich sich selbst, sein ganzes Geschlecht und den großen Gott, dessen Ebenbild er ist und dessen Geist sein Geist immer ähnlicher werden soll” (Fraas 1866, VII).
Er unterstreicht damals diese Ansicht folgendermaßen:
„Den besten Beweis hiefür liefert der schon mehrfach erwähnte Hohlestein im Lonetal auf der schwäbischen Alb, eine der großartigsten Bärenhöhlen, die man kennt. In der 30 Fuß hohen Halle, durch die ein 120 Fuß langer Schlupf führt, liegen zuoberst in einer achtzölligen Lehmschichte Hafenscherben, Kohle, Asche, Steinbeile, Broncegegenstände und Menschengebeine, vermengt mit Bärenzähnen und Knochen. Wer die Höhle nur oberflächlich besuchte, müsste die Überzeugung mitnehmen, daß beide, Höhlenbär und Mensch, gleichaltrig wären. Bald aber klärt sich die Sache auf. Nur in den tiefer, unterhalb des Kohlen- und Aschenlagers liegenden Lehmen finden sich Bärenschädel, größere Knochen und dergl. Jene zugleich mit den späteren Menschenresten beisammenliegenden Zähne und kleinere Knochen hatten Dächse und Füchse herausgewühlt. Ihre Wühlarbeit durch den Bärenlehm war so energisch, daß auf deren Rechnung der ganze achtzöllige Lehmboden in der Halle zu schreiben ist“ (Fraas 1866, 462).
Noch im selben Jahr 1866, als sein Buch vor der Sündfluth erschien, erkannte Oscar Fraas bei seinen Grabungen an der Schussenquelle, anhand bearbeiteter Rentiergeweihe, dass eiszeitliche Tierreste und menschliche Hinterlassenschaften doch gleichzeitig abgelagert wurden.
Er ging erneut an den Hohlestein, um seinen alten Abraum zu durchsuchen. Dabei bekannte er freimütig, dass er Dinge, die er zuvor nicht kannte, übersehen hatte.
„Ein Beweis, wie sehr man mit Blindheit geschlagen sein kann, war, dass ich während der ganzen Zeit der Grabarbeit noch keine Ahnung von dem prähistorischen Charakter des Hohlesteins hatte. Das Paläontologische allein war es, worauf ich achtete und vollständige Schädel, zusammenpassende Extremitäten erfreuten mich mehr als die gespaltenen Knochen und Gegenstände mit den sichtbaren Spuren von Menschenhand. Künstlich durchbohrte Zähne, Pfriemen und Nadeln aus Bein und die Splitter aus Stein waren als natürliche, zufällige Gebilde in dem grossen Abräumhaufen zugedeckt und aufs Neue in der Nacht der Höhle begraben“ (Fraas 1886, 36).
1867 schrieb er zum ersten Mal in seinem Vortrag über die “neuesten Erfunde” von der Schussenquelle: „In dieser Eiszeit lebte schon der Mensch.“ Er sieht die Eiszeit als Periode vor unseren historischen Zeiten und billigt ihr ein hohes Alter zu (Fraas 1867a, 69 f.). Dies steht im Gegensatz zu der von Cuvier formulierten These „L’homme fossile n’existe pas.” Allerdings ging Fraas wohl immer noch von einem Alter der Funde aus, das in den Ussher-Lightfoot Kalender passt. „Das Alter der schwäbischen Eiszeit und die Ansiedlung des Menschen an dem Ufer der Schussen weiter zurück zu verlegen, als in die Blühtezeit des babylonischen Reiches oder in die Zeit von Memphis und seiner Pyramiden dafür liegt auch nicht Ein gültiger Grund vor“
(Fraas 1867a, 50).
Zeitenwandel in der Eiszeitforschung
Oscar Fraas war die Tragweite seiner neuen Erkenntnisse bewusst. Johann Friedrich Esper hatte bereits 1774 in der Gailenreuther Höhle (Zoolithenhöhle) Menschenknochen unter Tiergerippen „vorweltlicher Tiere“ gefunden und richtig gefolgert, dass diese zumindest gleichzeitig sein müssten. „Der Mensch, dessen Reste mit denen der diluvialen Säugetiere in dem Höhlenschlamm begraben wurde, muss auch mit diesen Tieren gelebt haben, er war sonach ein Zeuge der „großen Flut“ (Ranke 1894, 394). Dennoch wurde die Existenz eines „fossilen Menschen“, der mit ausgestorbenen Tieren wie Mammut und Wollnashorn zusammenlebte, noch lange abgelehnt. Da die Funde von der Schussenquelle und dem Hohle Fels bei Schelklingen geeignet schienen die Koexistenz von Menschen und Eiszeittieren zu beweisen, versuchte Fraas seine Ergebnisse für seine Zeit sehr genau und interdisziplinär zu untersuchen. Neben Geologie, Paläontologie und Botanik, kamen auch chemische Analysen und völkerkundliche Vergleiche zur Anwendung.
Am 11. August 1872 ließ er etwa 100 Wissenschaftler aus aller Welt im Rahmen einer Exkursion der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte an seiner Grabung im Hohle Fels teilhaben (Fraas 1872a, 546f.).
Die Grabung im Hohle Fels 1870/71
Fraas und Hartmann gruben vom 16. November bis 1. Dezember 1870 und vom 1. April bis Mitte Juni 1871 im Hohle Fels bei Schelklingen. Am 16. November grub Hartmann noch alleine. Die gefundenen Bärenzähne sandte er nach Stuttgart und Fraas erhielt diese am 19. November. Am 21. November kam Fraas zur Grabung nach Schelklingen, um mit Hartmann die Ausgrabung zu „organisieren“. Er schreibt:
„Der 23m lange Eingang war vollkommen trocken, ein 1,5 Meter tiefer Versuchsschurf brachte unter dem oberflächlichen Schutt schwarzen Moder mit vielen Holzkohlen zu Tage, aber keine Spur von Knochen und Zähnen. Erst in der feuchten Halle gaben schon oberflächliche Versuche ein günstiges Resultat und fanden sich die meisten Reste in ausgezeichneter Frische conserviert. Am einladendsten zeigte sich die rechte Seite der Halle (a Fig. 27), deren tiefster Punkt zum Ort der systematischen Ausgrabung bestimmt wurde. In einer Breite von zwei Meter wurde hier eine 10 Meter lange Strecke bezeichnet, welche im Laufe der nachfolgenden Arbeitstage bis in eine Tiefe von 4 Meter ausgehoben worden ist.” (Fraas 1872b, 176 f.).
Fraas beschreibt weiter, wie es dann zu kalt wurde und die Grabungsarbeiten am 1. Dezember eingestellt werden mussten. Ende April 1871 bis Mitte Juni wurden seinen Angaben zufolge jede Woche zwei bis drei Arbeitstage von zwei zuverlässigen Arbeitern gegraben, wobei Hartmann regelmäßig, und Fraas selbst wenigstens ab und zu, anwesend war.
Das Vorgehen beschreibt er wie folgt:
„Nach Abraum eines oberflächlich gelegenen Steinhauerschuttes wurde zuerst die letzte und jüngste Bodenschichte von einigen Zoll abgehoben und dann eine regelmässig verbreitete schwarze Lage getroffen. In der Regel handhoch besteht diese Lage nur aus den Excrementen von Fledermäusen, die heute noch im First der hohen Halle hängend, auf dem Boden unter sich dieselbe Kothbank schaffen. Dieser Excrementenlage ist ohne Zweifel eine mit ihr verbundene Lage von Kalksinter oder Montmilch zuzuschreiben, welche durch jene aus kalkhaltigen Wassern der Höhle gefällt wurde. Unter der Kothbank folgt ein gelber, durchfeuchteter Lettenboden, der an Karst und Schippe sich hängt, getrocknet aber zu einem losen gelben Pulver zerfällt. In diesem Letten sind die alten Culturreste der Höhlenbewohner gelegen. Herr Professor Marx hatte die Freundlichkeit, denselben einer chemischen Untersuchung zu unterwerfen und namentlich den Gehalt an phosphorsaurem Kalk zu bestimmen. Er fand darin rund 19 Proc. Phosphorsäure (als P2O5 berechnet), so dass Düngerfabriken mit Nutzen das Material verwenden können. Ausgehoben wurde dieser Letten bis in eine Tiefe von 3 Meter, wobei er von oben bis unten sich wesentlich gleich blieb. Die meisten Knochen und Scherben lagen etwas in der Mitte. Nach unten wurden sie immer seltener, ein Versuchsschurf in die Tiefe von 5 Meter zeigte eine immer größere Abnahme, so dass in Anbetracht der Schwierigkeit in den tieferen Lagen bequem und sicher zu arbeiten, nur auf die mittlere Tiefe von 3 Meter der Höhlengrund ausgegraben wurde” (Fraas 1872b, 177 f).
Oscar Fraas und die Experimentelle Archäologie
Neben seinem multidisziplinären Ansatz versuchte Fraas, seine Ergebnisse auch durch Versuche mit steinzeitlichen Gerätschaften abzusichern. Darin kann der Beginn experimentell archäologischen Forschens gesehen werden.
Robert Ascher führt in seiner Arbeit über experimentelle Archäologie im American Anthropologist 1961 an, dass erste experimentelle Ansätze zu Beginn der archäologischen Forschung zum Standardrepertoire gehörten. Die ersten Experimente, die er erwähnt, sind die des Dänen Nilsson 1868. Für Deutschland führt er als erste Experimente die von Pfeiffer 1912 an (Ascher 1961, 794).
John Coles erwähnt in seiner Arbeit zur experimentellen Archäologie Steinexperimente von Sven Nilsson, John Lubbock, und Sir Arthur John Evans in den 1860ern (Coles 1973, 10). Den Nachbau des Gogstadt Schiffs, das 1893 in 27 Tagen von Norwegen nach New York segelte, bezeichnet Coles als eines der bemerkenswertesten frühen Experimente (Coles 1973, 64).
Die bei Colin Renfrew und Paul Bahn unter dem Stichwort ‘experimental archaeology’ erwähnten ersten Zusammensetzungen durch F. C. J. Spurrell im Jahre 1880 in Crayford England (Renfrew und Bahn 1991, 280), gehören ebenfalls zum Beginn experimentell archäologischen Forschens.
Bezüglich der Funde aus der schweizerischen Kesslerloch Höhle erwähnt auch der Freiburger Anatom Johann Alexander Ecker 1877 Experimente, nämlich die eines Freundes von Gabriel de Mortillet. Er schreibt: „Das zweite ist das technische Moment, enthaltend die Frage: Womit sind diese Zeichnungen gemacht? Natürlich mit Stein; wir leben ja in der vormetallischen Zeit, und ferner natürlich mit Kiesel. Mortillet vermuthet und gewiss mit Recht, dass hiezu kleine Kieselsplitter, möglicher Weise mit einer scharf gekrümmten Spitze, verwendet worden seien; da aber mit diesem Materiale schwer zu arbeiten sei, so habe ein Freund von ihm Versuche damit angestellt und sei zu dem Resultate gekommen, dass diese Figuren unmöglich durch einfache Gravirung (burinage) gemacht seien und zwar deshalb, weil das Material so hart sei, dass man bei dem Versuche einer Zeichnung, wie man sie etwa mit einem Bleistifte zu machen pflegt, nothwendiger Weise öfter ausgeglitten wäre, und diese Spur des Ausgleitens müsste man auf der Zeichnung nothwendiger Weise sehen; man sieht sie aber nicht, und er vermuthet also, dass diese Figuren durch einen anderen Vorgang gemacht seien, z . B. durch eine Art von Einfeilen (Fraas et. al. 1877, 106f.).
Einige der experimentell archäologischen Versuche und Untersuchungen von Oscar Fraas, um die Echtheit eiszeitlicher Funde und die Richtigkeit seiner Schlussfolgerungen zu belegen, werden im Folgenden beschrieben.
Bereits 1867 begann Oscar Fraas mit Tests, um die Herstellung steinzeitlicher Werkzeugspuren zu untersuchen. In den folgenden Jahren unternahm er immer wieder Versuche zur Knochen-, Geweih- und Steinbearbeitung.
Die Versuche von Oscar Fraas – Versuche zur Bearbeitung von Rentiergeweih
1867 schrieb Fraas Folgendes zu den bearbeiteten Rentiergeweihen aus der Schussenquelle:
„An der fraglichen 33 Millim. starken Stange sind auf 14 Millim. Tiefe gegen 20 Schrammen, die so aussehen, als wären sie mit einem schartigen Beile gemacht worden. Um hierüber ins Klare zu kommen, ward unser erster Beindreher in Stuttgart zu Rathe gezogen, der sein Urtheil mit großer Bestimmtheit dahin abgab, dass diese Hiebe weder mit einem Beil noch mit einem Hackmesser gemacht seien. Vielmehr meinte dieser wohlunterrichtete Sachverständige, er kenne nur Ein Instrument, dass eine derartige Spur mache, und zeigte ein Steinmesser vor, das er vor Jahren aus Mexiko von einem früheren Arbeiter zugesandt erhalten hatte. Mit diesem Messer führte er nun Streiche gegen eine frische Hirschstange von gleicher Stärke und überzeugte uns durch die That, dass auch an dem einzigen zweifelhaften Stücke entschieden kein Metall zu Hülfe genommen war“ (Fraas 1867b, 38).
Als durch zwei offensichtliche Fälschungen die eiszeitlichen Funde aus dem Kesslerloch in Thayngen (Schweiz) in Frage gestellt wurden, nahm Fraas auf dem Kongress der deutschen anthropologischen Gesellschaft in Konstanz im Oktober 1877 Partei für die Echtheit der Ritzungen. Unterstützt wurde er dabei vom Grafen Wurmbrand, der mit einem Feuerstein aus dem Kesslerloch tags zuvor in etwa einer dreiviertel Stunde ein Rentier in zwei Knochen geritzt hatte.
Als der renommierte Freiburger Anatom Alexander Ecker an der Echtheit der Funde zweifelte, entgegnete Fraas ihm folgendermaßen:
„Darum möchte ich nur mit kurzen Worten auf die verschiedenen Punkte antworten, welche Hr. Ecker stipulirt hat. Das erste Moment, das er nennt, ist das artistische. Er führte einen Zeugen an, welcher sagte, auf frischen Knochen und Hirschhörnern mit Feuerstein zu arbeiten sei unmöglich. Ich bitte, diesen Knochen in die Hand zu nehmen; er ist noch frisch, denn wir haben gestern bei dem Diner das Fleisch von diesem Knochen verspeist; der Künstler, der einen Feuersteinsplitter in die Hand genommen und dieses äsende Renthier auf demselben eingezeichnet hat, ist der anwesende Hr. Graf Wurmbrand; er hat es, wie Sie sich überzeugen mögen, täuschend nachgemacht und durch eine einfache Thatsache den Beweis für die „Unmöglichkeit der Arbeit” entkräftet. Das ist eben der Jammer bei unserer Gelehrsamkeit, dass wir oft sagen, eine Sache sei nicht möglich und gleich darauf wird sie doch zur Wirklichkeit“ (Fraas et al. 1877, 111).
Bezugnehmend auf diesen Kongress der deutschen anthropologischen Gesellschaft in Konstanz 1877 ging Fraas 1878 noch einmal auf dieses Thema ein. Offensichtlich hatte er selbst weitere Versuche angestellt und anstellen lassen. Wurmbrand hatte damals Knochen verwendet, die entsprechenden Funde waren allerdings auf Rentiergeweih ausgeführt.
„Es ist ganz und gar falsch, was in verschiedenen Blättern zu lesen ist, die Schnitzwerke seien „in Knochen” ausgeführt”: niemalen, weder im Perigord noch im Canton Schaffhausen fand man je den Knochen von Thieren benutzt, stets ist es das Geweih des Rens, das an sich eine spitze Waffe vom Menschen handgerecht gemacht und scharf zugespitzt wurde.“…
„Dass das Material Renthierhorn ist, steht fest. Dass es zur Zeit der Bearbeitung frisch war, davon mag sich jedermann selbst überzeugen, denn altes Horn lässt sich ganz einfach nicht mehr verarbeiten. Ein halbes Dutzend Geweihstücke aus der Thaynger Höhle und dem Hohlefels habe ich schon zu Versuchen geopfert, um selbst oder durch einen renommirten hiesigen Beinschnitzler nach den Vorlagen von Lartet und Christy Imitationen zo machen. Die Imitation verräth sich auf den ersten Blick, denn es ist einfach unmöglich, auf der Aussenseite des alten mürben Hornes einen scharfen Strich zu ziehen. Das Horn ist auf 1-2 mm Tiefe ein Mulm; eine mürbe Schale umgiebt den Kern des Horns, die erst entfernt werden muss, um auf den Kern einzudringen: dieser selbst aber ist dann erst recht schwer zu bearbeiten, denn er ist wie der Stuttgarter Beinkünstler behauptet, „versteint“, der Grabstichel greift kaum an, die Feile aber verschmiert sich, von der Epidermis des Renhorns ist selbstverständlich keine Spur mehr vorhanden. Mit scharfen Strichen gekritzelte Rengeweihstücke, Skulpturen, an welchen die Epidermis noch sitzt, wie an den zwei Hörnern des Moschusochsen, stammen hiernach entschieden aus einer Zeit, in welcher es frisches Rengeweih gab, das heute in Deutschland wenigstens nicht mehr aufgetrieben werden kann“ (Fraas 1878, 245).
Angeregt durch die Versuche von Oscar Fraas und die des Grafen Wurmbrand führte Ecker 1877 auch eigene Versuche durch und schreibt:
„Was nun die Technik der fraglichen Arbeiten betrifft, so müssen sie, wenn ihnen ein prähistorisches Alter zukommt, mit Kieselmessern oder Kieselsplittern gemacht sein. Nach den in Frankreich gemachten Versuchen schliesst man, dass sie, weil beim blosen Ritzen das Instrument leicht ausgleitet, durch eine Art von Einfeilung hergestellt sind. Wiewohl von Bonstetten glaubte, dass das Rennthier von Thayingen mit einem Werkzeug von Stahl gemacht sein müsse, ahmte Graf Wurmbrand in Constanz die Zeichnung auf frischem Knochen mittelst eines Feuersteins nach. Dieser Versuch gelang auch mir. Als nicht unwichtig führe ich nach einer Mittheilung von Fraas hier an, dass die beiden von Lindenschmit entdeckten gefälschten Zeichnungen nicht auf Geweihstücke sondern auf Knochen geritzt waren“ (Ecker 1877, 149 – 150).
Es benötigte noch über 80 Jahre nach den Versuchen von Oscar Fraas bis die experimentelle Archäologie 1947 durch Thor Heyerdahls Kontiki Experimente oder die Etablierung von Orten wie dem Sagnlandet Lejre in Dänemark, gegründet 1964, und der Butser Ancient Farm in England, gegründet 1970, an Einfluss gewann (Forrest 2007, 62).
Die Versuche von Oscar Fraas zur Zerlegung von Tieren und deren Knochen
Nachdem Oscar Fraas bei der Grabung 1871 im Hohle Fels zersplitterte Knochen aufgefallen waren, widmete er sich den zerschlagenen Funden aus dem Hohlenstein und formulierte seine neuen Erkenntnisse folgendermaßen:
„Bei der Untersuchung der Hohlefelsreste, die fast ausschließlich aus zertrümmertem Material bestehen, ward ich natürlich vielfach an die Hohlesteinreste erinnert und wartete nur die erste Säuberung und generelle Bestimmung ab, um den bei Seite gestellten Vorrath aus dem Hohlenstein zu untersuchen. Zu meiner nicht geringen Verwunderung fand sich unter demselben die Mehrzahl mit den deutlichsten Spuren der menschlichen Hand versehen und zwar ebenso die Knochen von Höhlenbär, als von Rennthier, Ochse u.s.w. Namentlich waren die Hiebe in die Bärenknochen in der Nähe der Epiphysen accurat dieselben, wie sie im Hohlefels so auffällig beobachtet werden konnten“ (Fraas 1872b, 179).
Fraas vermutete, dass die Knochen von eiszeitlichen Menschen mit Hilfe der Eckzähne von Bärenunterkiefern zerschlagen wurden. Auf zwei Seiten beschrieb er, wie er angeregt durch einen Besuch im Stuttgarter Schlachthaus, im Hamburger Garten und im Dresdner zoologischen Garten nachgefragt hatte, ob es möglich sein könnte, dass Bären oder Raubkatzen die Knochen mit den Eckzähnen durchbeißen könnten. Im Dresdner zoologischen Garten wurden darauf Bissversuche an Pferdeknochen mit zuvor ausgehungerten Braunbären durchgeführt.
„Erst nach dem Besuch unseres Stuttgarter Schlachthaus fing ich an zu verstehen, wie diese Hiebe zur Manipulation bei der Zerlegung eines größeren Tierkörpers gehören. Zuerst wollte ich mich vergewissern, dass es nicht Bisse des Bären selbst sein können, dass nicht etwa alte Bären die Jungen aufgefressen und beim Abnagen der Knochen im Heißhunger Löcher in die Knochen gebissen hätten. Ich wandte mich daher an zoologische Gärten, um zu erfahren, wie Bären und Löwen Knochen zerbeissen. Herr Dr. Hilgendorf hält es nach seinen Beobachtungen im Hamburger Garten, über jeden Zweifel erhaben, dass weder Bär noch Katze mit dem Eckzahn Löcher in die Knochen zu beißen vermöge. Abgesehen davon, dass der Vordertheil des Kiefers als Hebel zu grösserer Kraftanstrengung ungeschickt ist, muss der Knochen bei der Art der Stellung der Eckzähne nothwendig, den Zahnspitzen entgleiten. Diese Ansicht des erfahrenen Zoologen bestätigte vollständig eine im Dresdener zoologischen Garten für diesen Zweck auf ausgeführte Probe, über welche mir mein gelehrter Freund folgende Mittheilung macht: zwei braune Bären, von welchem das Männchen, etwa zwölf Jahre alt, ein kräftiges Tier zu nennen ist, erhielten, nachdem sie durch einiges Fasten zu größerem Eifer angespornt waren, den Oberarm und Vorderarm eines Pferdes. Das Weibchen befreite den ihm zugefallenen Vorderarm durch Lecken und Nagen von dem wenigen Fleisch, das noch anhing, wurde aber des Dings bald überdrüssig und berührte den Knochen nicht wieder. Das Männchen dagegen erwies dem seinigen drei Tage lang volle Aufmerksamkeit, legte sich in der Regel auf den Rücken, fasste den Knochen mit den Vordertatzen und biss mit Schneide- und Eckzähnen daran herum, aber nur die Tubercula neben dem Caput humeri zeigte später merkliche Defekte” (Fraas 1872b, 185f.).
Danach beschreibt er, wie er selbst, mit einem alten Bären Unterkiefer, Hirschknochen zerlegt.
„Ich habe es versucht, auf frische Knochen mit dem alten tausendjährigen Bärenkiefer zu schlagen und habe z. B. in frische harte Hirschknochen mit grosser Leichtigkeit ganz dieselben Löcher eingeschlagen, welche wir an den Bärenknochen beobachten. Die durchgeschlagene Wand des Knochens legt sich nach innen ganz in der Form des Zahnes um und gleichen sich alle derartig behandelten, aufgefundenen Knochen (gegen 200 Stücke) einander so sehr, dass eine gemeinsame Ursache für alle in die Augen springt“ (Fraas 1872b, 187) (Abb. 4).
Anderorts erklärte Fraas seine Idee der Knochenzerlegung im gleichen Jahr folgendermaßen:
„Statt des Messers, mit welchem heutzutage der Eskimo in die Ephipysen des Eisbärenknochens haut, bediente sich der Höhlenmensch eines natürlicheren Instruments, des Unterkiefers vom Bären selber. Dieser wurde mit dem Feuerstein ausgelöst, die Rolle und der Kronenfortsatz weggeschlagen und mit dem nun wirklich handlich gewordenen Hackbeil auf die Knochen geklopft, so daß der Eckzahn bei jedem Hieb ein Loch in den Knochen schlug“ (Fraas 1872c, 12).
Oscar Fraas experimenteller Ansatz mit den Bärenkiefern war in seiner Zeit einzigartig.
Eine genaue Überprüfung der angeblich abgeschlagenen Gelenke der Bärenunterkiefer aus seiner Grabung steht noch aus (Abb. 5). Nach Begutachtung durch RW scheint es sich im Gelenkbereich eher um natürliche Bruchmuster an dieser, durch die Dünne des Knochens prädestinierten Stelle, zu handeln. Dies wurde von SCM bestätigt (mündliche Mitteilung am 12.05.2024). Schlag- oder Schnittspuren wie sie beim Entfleischen entstanden wären, konnten nicht erkannt werden. Außerdem könnten ausgesplitterte Eckzähne in den Unterkiefern erwartet werden, wenn damit zugeschlagen wurde. Es gibt zwar ausgesplitterte Eckzähne im Bärenmaterial des SMNS, aber diese Aussplitterungen sind intra vitam durch das Verhalten der Bären entstanden und nicht durch menschliche Aktivitäten (Koby 1940).
Die Möglichkeit des Verbisses durch eiszeitliche Hyänen ließ Fraas völlig außer Betracht.
Hyänenfraß kommt im Hohle Fels an vielen Knochen vor. Einige der von Fraas beschriebenen zerschlagenen Knochen in der Sammlung des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart scheinen eindeutig auf Zerbeißen durch Hyänen zurückzuführen zu sein. Insbesondere der von Fraas angeführte ‘Trinkbecher’ aus der Schädelkalotte eines Rentiers scheint durch Hyänenverbiß entstanden zu sein (Abb. 6 & 7). Dies zieht Fraas aber nicht in Betracht. Er hält das Stück für ein Artefakt und beschreibt es folgendermaßen:
„Ein eigenthümliches Stück ist der mit Sorgfalt zubereitete Schädel eines alten Renthiers. Die Stangen sind ihm glatt am Stirnbein abgeputzt, wozu, den Schlagmarken nach zu urtheilen, gleichfalls der Bärenunterkiefer gebraucht wurde, ebenso ist ein glatter Rand von der Stirn zur basis cranii geklopft, so dass der Schädel wie ein Trinknapf oder ein Schöpfgeschirr aussieht, zu welchem Zweck er auch ganz sicher benutzt worden ist.“ (Fraas 1872d, 28)
Feuersteinbearbeitung
Mit der Bearbeitung von Feuerstein scheint Fraas sich im Gegensatz zu den Experimenten mit Knochen und Geweih nicht intensiv beschäftigt zu haben. Fraas beobachtete bei den Funden im Hohle Fels keine Stratigraphie. Er vermischte jungsteinzeitliche Funde mit verschiedenen Horizonten altsteinzeitlicher Ablagerungen. Seinen Äußerungen zur Einfachheit der Feuersteinbearbeitung wie, dass man den Schlagpunkt mittels eines aufgelegten Quarzkornes festlegen könne, legen die Vermutung nahe, dass er selbst keine Versuche zur Feuersteinbearbeitung unternommen hat. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass er für seine Arbeiten mit Knochen und Geweih originale Feuersteinwerkzeuge aus seinen Grabungen verwendet hat.
Fraas schreibt dazu (1872d, Fußnoten 23 – 24):
„Herr Kaufmann Fink von hier, der mit seinem Bruder schon längere Zeit in Mexico lebt, überliess uns eine Reihe alt mexicanischer Obsidianwerkzeuge, die an alten Opferplätzen und Grabstätten sehr zahlreich gefunden werden sollen. Die Werkzeuge sind entweder deutliche Lanzenspitzen und Pfeilspitzen oder aber sog. Messer, wirklich schneidend scharf, von denen das schönste 0,121m lang und 0,019m breit, bei dieser Länge aber nur 0,004m dick ist. Sogenannte nuclei, d.h. Rohstücke, von welchen die Klingen abgespalten sind, brachte Herr Fink gleichfalls mit, an welche die abgespaltenen Klingen wieder angepasst werden können und woraus erhellt, wie jede Klinge das Product eines einzigen kurzen Schlages sein muss, in Folge dessen sich immer ein Scherben um den andern von dem nucleus abtrennt. Auch im Hohlenfels lagen nuclei, an welchen auch noch die Schlagmarken sich beobachten lassen, die den Eindruck machen, als wäre das Abspalten mittelst eines auf die Oberfläche des Steins gelegten Quarzkorns geschehen, auf welches mit einem andern Stein ein Schlag geführt wurde, der sich dann nach der Vorzeichnung des Quarzkorns auf den Feuerstein fortpflanzte und die Spähne abschälte.“
Bezugnehmend auf Versuche von französischen Kollegen, die Steinzeit anhand der Feuersteine zu untergliedern, kommentierte Oscar Fraas (1872c, 7) folgendermaßen:
„Da in Deutschland bis jetzt noch keine hinreichenden Funde vorliegen, so kann man sich thatsächlich nicht über diese Betrachtungsweise der Feuersteinarbeiten aussprechen, wie sie von unseren westlichen Nachbarn beliebt wird. Immerhin aber dürfte es bedenklich erscheinen, auf eine so wenig Geist erfordernde Manipulation, wie die Zubereitung der Feuersteinmesser erheischt, einen so großen Culturwerth zu legen. Eine gotische Kreuzblume und eine romanische Kuppel sind andere Motive zur Beurtheilung einer Zeit, als ein dreieckig oder meißelförmig zugespitzter Feuerstein, bei dessen Form der Zufall seinen Antheil hat.“
Über die mögliche Nutzung der Feuersteingeräte schreibt er Folgendes.
„Zu dem Ende wurde der längere oder kürzere Aufenthalt in der Höhle benutzt, nahe liegende Feuersteinknollen zu schneidenden Splittern zerschlagen, mit den Splittern das Fell aufgetrennt, der Knochen und das Geweih zu Nadeln gespitzt, um mit den gedrehten Därmen etwa das Fell zusammenzunähen und der menschlichen Körperform anzupassen“ (Fraas 1872c, 6 – 7).
Fazit
Ein Experiment im klassischen Sinne versucht wissenschaftliche Fragen anhand eines wiederholbaren Versuchs zu beantworten. Die Einflussgrößen müssen dabei veränderbar und messbar sein. Die Versuchsanordnung muss dokumentiert und die Ergebnisse festgehalten werden.
Die Versuche von Oscar Fraas halten diesen Regeln sicherlich nicht stand. In den 1860er und 1870er Jahren stellen sie aber einen visionären Ansatz der experimentellen Archäologie dar, der einen nicht geringen Einfluss auf die damals junge archäologische Forschung hatte. Viele seiner Aussagen, insbesondere zum Alter seiner Funde, erwiesen sich bald schon als falsch und unhaltbar. Dennoch ist seine Forschung für die Eiszeitarchäologie auch noch heute von Bedeutung und seine Methoden und Ansichten sind denen seiner zeitgenössischen Kollegen in Vielem weit voraus. Sicherlich sollte man die Versuche von Oscar Fraas auch im Zusammenhang mit dem Beginn der experimentellen Archäologie nennen.
Funde der Grabung Fraas und Hartmann
Fraas und Hartmann zeichneten weder Profile ihres Grabungsschnittes noch gaben sie die Lage, sprich die Tiefe der entsprechenden Artefakte oder Funde im Schnitt an. Deswegen sind die Funde aus der 1870/71 Grabung ausschließlich über ihre Typologie zeitlich einzuordnen. Eine weitere Möglichkeit der Datierung von diesen Funden ist die Radiokohlenstoffdatierung, wenn das Ausgangsmaterial dies zulässt. Die Funde aus der Grabung Fraas und Hartmann gingen an das damalige königliche Naturalienkabinett nach Stuttgart, heute Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart. Oscar Fraas arbeitete für diese Institution (damals Königliches Naturalienkabinett in Stuttgart, 1854-1894) und somit ist es nachvollziehbar, dass die Funde seiner Arbeiten in dieses Haus kamen. Sämtliche Funde wurden im Zweiten Weltkrieg durch den damaligen Direktor Fritz Berckhemer ausgelagert und konnten so in den Bestand des heutigen Museums übernommen werden (Abb. 8) (Berckhemer 1940).
Pferdezähne
Im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart befinden sich unter anderem elf Pferdezähne, die bis 2022 keiner Analyse unterzogen wurden. Schmidt (1912, Taf. XXI, 16,17) publizierte zwei durchlochte Pferdezähne aus der Grabung Fraas und Hartmann aus dem Hohle Fels. Einer dieser Zähne konnte in der Sammlung der Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen identifiziert werden. Ein weiterer durchlochter Pferdezahn der Grabung Fraas in der Bärenhöhle im Hohlenstein (Schmidt 1912, Taf. XX, 3) wurde noch nicht modern dokumentiert. Fraas überlegt zu den pleistozänen Pferden Folgendes:
„Darf man, wie Veterinäre bestimmt behaupten, aus der Kopflänge des Pferdes einen Schluß ziehen auf dessen Höhe, so war es nicht höher als 1,3 Meter und bei solcher Körperbeschaffenheit denn doch wenig geeignet, dem Menschen große Dienste zu leisten. Und doch war ein ganz eigener Wert auf das Pferd gelegt, in dem, dessen Schneidezähne größtenteils an der Wurzel durchlöchert sind, um sie als Anhängsel, sei es als Schmuck oder als Amulet zu tragen. Unwillkürlich denkt man hiebei an das Hufeisen, das der schwäbische Bauer an seine Stallthür nagelt, auf dass keine Hexe, sein Vieh bezaubere, oder an die drei Roßhaare, mit denen Zauber getrieben werden kann und erinnert sich, wie zu allen Zeiten der Geschichte, dem Pferde etwas Dämonisches anklebte. Schreibt doch schon Tacitus von den weißen Pferden der Deutschen, die sie auf öffentliche Kosten halten, ohne sie zu gewöhnlicher Arbeit zu verwenden. Sorgfältig wird ihr Gewieher beobachtet, darum begleiten sie Fürsten, und Priester, um in die Zukunft zu schauen, die durch das Schnauben und Wiehern angedeutet wird” (Fraas 1872c, 19).
Die Pferdezähne sind alle von Menschen bearbeitet. Sie haben Durchlochungen. Eine Interpretation als Anhänger liegt somit nahe. Wir stellten uns die Fragen nach der Art der Bearbeitung und nach der zeitlichen Einordnung dieser eiszeitlichen Artefakte. Für die zeitliche Einordnung wurden die Stücke mit den Pferdezahn-Anhängern aus den modernen Ausgrabungen im Hohle Fels seit 1977 verglichen (Kölbl und Conard, 2023; Conard und Janas, 2018, 2021; Conard und Malina, 2005, 2007, 2008). Weiterhin wurde Pferdezahnschmuck aus anderen Fundstellen in Süddeutschland untersucht und für den Vergleich herangezogen. Außerdem erhielten wir die Erlaubnis, Zähne aus dem Staatlichen Museum für Naturkunde mittels der Radiokohlenstoff-Methode datieren zu lassen, um das jeweilige absolute Alter des entsprechenden Zahnes zu ermitteln.
Zusätzlich zu den elf bearbeiteten Pferdezähnen aus Stuttgart (Abb. 9) liegen aus dem Bestand der Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Eberhard Karls Universität Tübingen zwölf bearbeitete Pferdezähne vor (Abb. 10). Einer davon stammt ebenfalls aus den Ausgrabungen im Hohle Fels 1870/71 (Inventarnummer Tü 85/14). Weiterhin stammt ein Artefakt aus dem Abraum vor der Vogelherdhöhle (Conard et al. 2010) und eines aus der Brillenhöhle. Dieses Stück ist Teil der Sammlung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie. Es wurde von Gustav Riek beschriftet, jedoch nicht in Riek 1973 publiziert. Außerdem wurde uns dankenswerterweise aus der Schausammlung des Museum Ulm ein weiteres Artefakt zur Verfügung gestellt. Es ist in Privatbesitz und wird im Museum Ulm ausgestellt. Diesen Zahnanhänger sammelte Herr Jürgen Werner aus dem Abraum vor der Bärenhöhle im Lonetal auf (Abb. 9, untere Reihe links).
Methoden
Die Objekte wurden hochauflösend fotografiert. Für die Untersuchung der Perforationen wurde ein Zeiss Mikroskop stemi 305 mit vierfacher Vergrößerung genutzt. Die Bestimmung der Zähne wurde mittels eines rezenten Pferdeschädels (EQ54) aus der zooarchäologischen Vergleichssammlung des Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment (SHEP) an der Universität Tübingen vorgenommen. Eine Radiokohlenstoffdatierung sollte über das Alter der Zähne aus der Altgrabung im Hohle Fels Aufschluss geben. Nur ein Zahn (n° S 11) kam für eine Probenentnahme in Frage, da die Wurzel noch erhalten war und keine Arbeitsspuren mit der Probenentnahme zerstört worden wären. Die Probe nahm Chris Baumann vor. Am oberen Ende der Zahnwurzel des Objektes S 11 wurden 200 mg Dentin entfernt und zermahlen. Aus diesem Dentinpulver wurde dann nach dem etablierten Protokoll von Bocherens (u.a. 2005) das fossile Kollagen extrahiert und zur Datierung an das Labor für Ionenstrahlphysik an der ETH Zürich (Schweiz) geschickt. Das ermittelte Alter kann man bei erfolgreicher Datierung nur für das jeweilige datierte Stück heranziehen, aber es dient der Annäherung der zeitlichen Einordnung des gesamten Schmuckinventars an Pferdezähnen aus dem Hohle Fels.
Ergebnisse
Alle Zähne sind Schneidezähne von Pferden. Pferde besitzen jeweils sechs Schneidezähne im Ober- und im Unterkiefer. Diese sind im Oberkiefer 1. – 3. Incisivus superior, rechts und links (I1, I2, I3) sowie im Unterkiefer 1. – 3. Incisivus inferior, rechts und links (I1, I2, I3). Die oberen Schneidezähne sind etwas stärker gebogen als die unteren Schneidezähne. Im Hohle Fels sind vor allem die Nutzung der 1. und 2. Schneidezähne beider Kiefer als Rohmaterial für die Zahnanhänger genutzt worden (siehe Tabelle 1). Die Bestimmung, der zum Teil stark fragmentierten oder abgekauten Schneidezähne ist jedoch mit Unsicherheiten behaftet. Nur sieben der insgesamt 26 Schneidezahnanhänger sind annähernd vollständig. Als Vergleichsmaterial wurden die Schädel EQ25 und EQ54 aus der Sammlung des SHEP verwendet, und für die Altersbestimmung Habermehl (1975) herangezogen. Die Zahnkronen sind nur bei wenigen Stücken vollständig, so dass eine Altersschätzung nur bei wenigen Stücken möglich war. Die Zahnanhänger stammen überwiegend von adulten und einigen senilen Tieren, juvenile Pferde fehlen. Das Alter des Pferdes des Objekts HF 56/17.1 konnte auf 4-6 Jahre ermittelt werden und das Alter des Pferdes für das Objekt BH 4u, M6 auf 4-10 Jahre. Zwei Pferdezähne aus dem AH IId des Hohle Fels, HF 65/1139 und HF101/1350, stammen von Tieren mit einem Alter zwischen 10 und 13 Jahren.
Die Perforation befindet sich im Wurzelbereich des Zahns, der bei adulten Pferden ziemlich robust ist. Das könnte ein Grund sein, warum Schneidezähne von juvenilen Pferden als Anhänger nicht in Frage kamen, weil die Wurzel noch nicht stabil genug war.
Eine Präparation der Wurzel vor dem eigentlichen Vorgang der Durchlochung ist zielführend, um Material abzunehmen und die Durchlochung zu erleichtern. Die Zahnwurzel wurde mit unterschiedlichen Methoden für die Durchlochung vorbereitet. Häufig wurde beidseitig geschabt, um die Wurzel im Vorfeld abzuflachen (z.B. HF 30/621, HF 55/247, HF 77/1450, HF 101/1350, S 11). Anschließend haben die eiszeitlichen Menschen die Zahnwurzel durchbohrt. Die Durchbohrungen wurden meist von beiden Seiten vorgenommen, sodass die Durchlochungen nicht immer symmetrisch sind, sondern sich im Inneren der Zahnwurzel treffen (beispielsweise Tabelle 1, S 11, Abb. 9). Es wurden ebenfalls Pickspuren auf den Wurzeln einiger Zähnen festgestellt (Stücke HF 65/1139, HF 101/1350, HF 87/942, S 3, S 4). Dies zeigt, dass unterschiedliche Methoden zum Einsatz kamen, um die Durchlochungen zu erzielen. Die Methoden wurden auch kombiniert genutzt (wie HF 87/942, Objekt Bärenhöhle). Dies schließt jedoch nicht aus, dass auch direkt in die Wurzel gebohrt wurde, wie bei dem Objekt aus dem Vogelherd n° 35/77_46. Wir konnten keine einheitliche Herstellungsweise für die Durchlochungen der Pferdezähne beobachten.
Zeitliche Einordnung der Vergleichs-Zahnanhänger
Ein Stück aus den modernen Grabungen aus dem Hohle Fels stammt aus dem Profilversturz und ein weiteres aus der unstratifizierten Schicht 0. Zwei der Zähne stammen aus der gravettienzeitlichen Schicht IIc und sieben der Zähne wurden in der jüngsten Aurignacien-Schicht IId (eines IId-IIIa) ausgegraben (Kölbl und Conard 2003; Conard und Janas 2018, 2021; Conard und Malina 2005, 2007, 2008). Das Stück aus dem Abraum des Vogelherds stammt aus ungesichertem Fundkontext. Es könnte ein aurignacienzeitliches oder gravettienzeitliches Alter besitzen, jedoch auch ein magdalénienzeitliches, denn nach Revision der Funde aus dem Vogelherd sind alle drei jungpaläolithischen Kulturen im Vogelherd nachgewiesen (Conard et al. 2003; Schürch in Vorb.). Das Artefakt aus der Brillenhöhle stammt aus der magdalénienzeitlichen Schicht IV nach Riek (1973). Das bedeutet, dass die Mehrheit der Stücke aus der jüngsten aurignacienzeitlichen Schicht im Hohle Fels stammen (n=7 von 11). Sie sind damit etwa 35 000 Jahre alt (Conard und Bolus 2003; Taller und Conard 2019). Die Art und Weise der Bearbeitung lässt keine eindeutige Zuweisung in eine archäologische Kultur zu.
Radiokohlenstoffdatierung
Die Probennummer des Labors der ETH-Zürich lautet ETH-134582. Die Datierung ergab ein unkalibriertes Alter von 28 447 +/-145 Jahren vor heute (Abb. 11). Dieses wurde mit dem Programm OxCal vol. 4.4 kalibriert und entspricht einem Alter von 33 159 bis 32 023 Jahren vor heute. Dieses Datum passt sich gut in die Daten für die gravettienzeitlichen Schichten IIb bis IIcf ein (Taller und Conard 2016, 2019). Somit haben wir einen sehr guten Anhaltspunkt, dass die Pferdezähne aus der Höhlenhalle aus der Grabung 1870/71 mindestens ein gravettienzeitliches Alter haben. Es sind keine magdalénienzeitlichen Pferdezähne aus dem Hohle Fels bekannt. Aus diesem Grund plädieren wir für eine Datierung des Pferdezahnschmucks aus der Grabung Fraas und Hartmann in das Gravettien. Dies schließt natürlich nicht aus, dass weitere der zehn nicht datierten Zähne auch in das jüngere Aurignacien datieren könnten. Dies legen zumindest die Vergleichsfunde aus den modernen Grabungen nahe. Aufgrund der vorliegenden Datierung können wir nun mit Gewissheit sagen, dass sich die gravettienzeitlichen Menschen zumindest zeitweise in der Höhlenhalle aufgehalten haben und Fraas in seiner Grabung auf jeden Fall bis in gravettienzeitliche Schichten vorgedrungen ist.
Knochenretuscheure
Knochenretuscheure oder Schlagwerkzeuge sind bekannte Artefakte in paläolithischen Fundstellen innerhalb aller archäologischen Kulturen (z. B. Van Kolfschoten et al. 2015; Doyon et al. 2018; Toniato et al.,2018; Turner et al. 2020), doch werden sie typischerweise in recht geringer Anzahl gefunden. Das bedeutet, dass weniger als ein Dutzend Stücke pro Fundstelle bekannt sind (für Ausnahmen siehe jedoch Jéquier et al. 2012; Van Kolfschoten et al. 2015). Retuscheure sind Werkzeuge, die in Größe, Tierart und anatomischem Element variieren können. Homininen benutzten Retuscheure für weiche Hammerschläge oder Druckabschläge. Dies ist in einigen Fällen durch kleine Steinsplitter in den Narbenfeldern der Artefakte belegt (Mallye et al. 2012; Van Kolfschoten et al. 2015). Es ist unklar, ob Homininen Knochenfragmente bestimmter Größen für die Verwendung als Retuscheure auswählten oder ob sie absichtlich Fragmente zur Verwendung anfertigten (siehe Mozota 2013). Bei einigen Artefakten sind Längsrillen erhalten, die unter den Spuren liegen, die vom Retuschieren entstanden. Dies wird als Akt der Reinigung des Knochens von Gewebe interpretiert, bevor man das Stück verwendete (Armand und Delagnes 1998; Daujeard et al. 2014; Van Kolfschoten et al. 2015). Lange Knochenschaftfragmente von mittelgroßen oder großen Huftieren, insbesondere von Pferd, sind das häufigste Rohmaterial für Retuscheure. Archäologen finden jedoch auch Retuscheure, die aus Rippen, Zähnen und nichtknöchernen Materialien gefertigt wurden (Toniato et al. 2018). Retuschierspuren variieren von leichten Narben auf der Knochenoberfläche bis hin zu tiefen Eindrücken über einen großen Bereich des Knochens.
Robert R. Schmidt (1912) war der erste, der Retuscheure von der Schwäbischen Alb publizierte, die er als compresseur bezeichnete. Gustav Riek (1934) und Eduard Peters (1936) erwähnten später Retuscheure, wobei sich Riek auf Ambosse aus dem Vogelherd und Peters auf Hilfswerkzeuge aus Knochen aus dem Schafstall und der Göpfelsteinhöhle bezog. Wolfgang Taute (1965) lieferte die erste umfassende Publikation von Retuscheuren aus Schwaben und stellte sie in den Kontext der Werkzeuge aus anderen europäischen Fundorten. In der Folge publizierten Archäologen Knochenretuscheure aus der Brillenhöhle (Riek 1973; Barth 2007), dem Geißenklösterle (Hahn 1988), dem Vogelherd (Niven 2006) und dem Sirgenstein (Münzel und Conard 2004). Kürzlich haben Giulia Toniato et al. (2018) eine Studie von Retuscheuren aus mehreren Fundorten der Schwäbischen Alb vorgelegt. Sie fanden heraus, dass Homininen im Mittelpaläolithikum lange Knochenschäfte von einer begrenzten Anzahl von Spezies wie von Pferden verwendeten, um Steinwerkzeuge zu retuschieren. Im Gegensatz dazu benutzten die Menschen des Aurignaciens zwar häufig Schaftfragmente von Huftieren als Retuscheure, aber auch eine Reihe anderer Taxa und Elemente wie Geweih, Mammutelfenbein, Rippenfragmente und Eckzähne von großen Fleischfressern. Die Häufigkeit von Knochenretuscheuren nimmt im Gravettien ab und wird im Magdalénien vollständig durch Steinretuscheure ersetzt (Toniato et al. 2018).
Aufgrund fehlender stratigraphischer Informationen ist die kulturelle Zugehörigkeit der Retuscheure aus den Grabungen von Fraas und Hartmann aus dem Hohle Fels nicht bekannt. Insgesamt konnten wir sieben Knochenretuscheure identifizieren (Abb. 12, Tabelle 2). Die Stücke sind zwischen 8,0 und 22,3 cm lang, mit einer durchschnittlichen Länge von 10,8 cm, und zwischen 1,0 und 7,4 cm breit, mit einer durchschnittlichen Breite von 3,6 cm.
Alle Retuscheure wurden aus großen Säugetierknochen hergestellt, die in der Größenordnung eines großen Rentiers, Rothirsches, Equiden oder Höhlenbären liegen. Aufgrund der fragmentarischen Beschaffenheit der Exemplare konnten wir sie nicht nach Art bestimmen, obwohl jede der oben genannten Arten im Fundinventar des Hohle Fels belegt ist (Münzel und Conard 2004). Zwei der Retuscheure sind aus Rippen gefertigt, während die anderen fünf Stücke lange Knochenfragmente sind. Von den Langknochen stammt einer vom distalen Ende eines Humerus und ein weiterer von einer Tibia (Abb. 12, Tabelle 2).
Die taphonomischen Schäden an den Stücken betreffend, weisen vier der Retuschen grüne (das heißt frische) Knochenbrüche auf, die entstanden, als das Kollagen im Knochen noch frisch war. Drei der Retuscheure, darunter beide Rippen, weisen Schabspuren auf den Artefakten auf, die häufig mit der Reinigung oder Vorbereitung der Knochenoberfläche für den Gebrauch in Verbindung gebracht werden (Armand und Delagnes 1998; Daujeard et al. 2014). Die Rillen sind von Retuschespuren überlagert (Abb. 12, Tabelle 2). Diese Arbeitsspuren an den Knochen reichen von sehr leicht bis mittelschwer, wobei die Rippen die tiefsten Einschlagnarben aufweisen (Abb. 12). Es ist möglich, dass der Unterschied in der Narbenintensität mit dem Knochenelementtyp zusammenhängt, da lange Knochenschäfte aus dickem kortikalem Knochen bestehen und Rippen nur eine dünne kortikale Oberfläche über der Spongiosa haben. Andererseits könnte die Intensität der Narben auch mit der Dauer der Nutzung oder der Art des lithischen Rohmaterials, das retuschiert wurde, zusammenhängen (Chase 1990; Mallye et al. 2012). Die letztgenannte Hypothese können wir nicht überprüfen, da in den Narbenfeldern keine Mikrosteinsplitter eingebettet sind. Im Allgemeinen führen eine kürzere Nutzungsdauer oder eine geringere Kraftintensität zu einer geringeren Anzahl von Narben; das ist bei zwei der Exemplare der Fall (Abb. 12). Die Größe der Narbenfelder reicht von 0,5 cm² bis 10,35 cm² (Tabelle 2). Es besteht keine Korrelation zwischen der Größe des Narbenfeldes und der Größe des Knochens (p-Wert = 0,436).
Die Knochenretuscheure aus der Sammlung Fraas aus dem Hohle Fels ähneln anderen Retuscheuren, die auf der Schwäbischen Alb im Allgemeinen und am Hohle Fels im Besonderen gefunden wurden. Sie wurden meist aus den langen Knochen von Großsäugern hergestellt. Das Vorhandensein von zwei Rippen könnte darauf hindeuten, dass zumindest ein Teil der Funde aus dem Jungpaläolithikum stammt, obwohl dies mangels radiometrischer Datierung spekulativ ist.
Die Größe der Stücke spiegelt wahrscheinlich die Praktiken bei der Bergung und Konservierung der Fraas-Sammlung wider, da die Mehrheit der Fauna in der Sammlung entweder von großen Säugetieren stammt oder im paläontologischen Sinne identifizierbar ist, sprich nach Taxon und Knochenelement. Somit wurden diese Stücke vermutlich selektiv geborgen.
Schlussbemerkung
Ein kleiner Teil der Altfunde wurde im Zuge einer Exkursion der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte am 11. August 1872 an die Teilnehmer der Exkursion gegeben. Dadurch gelangten wenige Funde in den Besitz der Sammlung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen. Eine Kiste mit Tierknochen aus dem „Hohlefels im Aachthale“ befindet sich im historischen Leiner Saal des Rosgartenmuseums in Konstanz. Robert Rudolf Schmidt erwähnt 1912 weitere Aufbewahrungsorte wie: „die Priv. Samml. Hartung Schelklingen– Reutlingen Altert. –Samml. — Freiburg Geolog. Inst. – London British Museum u.a.m.“ (Schmidt 1912, 47). Sollten sie Funde aus den Altgrabungen Fraas im Hohle Fels in Ihren Sammlungen entdecken, würden die Autoren sich über eine Benachrichtigung freuen.
Anhand unserer Arbeiten zeigt sich, wie lohnend es ist, Altfunde in Museums-Kollektionen zu studieren. Die erste archäologische Ausgrabung im Hohle Fels ergab zahlreiche Funde, die im Kontext der aktuellen Ausgrabungen und mittels heutiger Untersuchungsmethoden besser eingeordnet werden können. Wir hoffen, dass die Objekte aus der Grabung Fraas und Hartmann von weiteren Archäologinnen in Zukunft untersucht werden.
Danksagung
Wir danken an dieser Stelle besonders Herrn Thomas Rathgeber, Herrn Dr. Eli Amson und Herrn Achim Lehmkuhl für die freundliche Aufnahme im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart. Unser Dank gilt Eli Amson, der die 14C-Datierung von Pferdezähnen aus dem Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart für unsere Forschungszwecke genehmigte. Weiterhin danken wir Herrn Jürgen Werner, der die Ausleihe eines Pferdezahn-Artefakts aus der Bärenhöhle genehmigte, und Frau Viviane Bolin und Frau Nadine Rabovsky vom Museum Ulm, die den Leihvorgang ermöglichten. Agnes Fatz danken wir für die Fotografien der Pferdezahnanhänger. Wir danken Angel Blanco-Lapaz herzlich für die Fotografien der Knochenretoucheure.
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