1. Tag, Sonntag, 28. Mai 2023: Montbéliard.
Glücklicherweise ohne Stau sind wir sehr zügig bis Montbéliard gefahren. Dadurch waren wir deutlich vor der nachmittäglichen Öffnung des Museé du Château des Ducs de Wurtemberg vor Ort, sodass Zeit zum Erkunden der Altstadt blieb. Montbéliard bzw. Mömpelgard war von 1397 bis 1793 Teil des Herzogtums Württemberg, weshalb wir das vertraute Württemberger Wappen an jeder Ecke der Stadt finden konnten.
Das Museé du Château des Ducs de Wurtemberg beherbergt unter anderem eine paläontologische und archäologische Abteilung in einem schönen Gebäudeteil des herzoglichen Schlosses. Ohne Führung haben wir die in der Fachwelt berühmten bemalten und geritzten Kiesel von Rochedane aus dem Azilien gefunden; das war nicht ganz so einfach wie erhofft. Die Vitrine mit ein paar wenigen Kieseln steht hinten in einer Ecke, nichts deutet auf die herausragende Bedeutung der Funde hin. Umzeichnungen der Bemalungen und Ritzungen sind zwar teilweise vorhanden, jedoch sehr viel kleiner als die Original-Darstellungen, sodass eine nähere Betrachtung kaum möglich ist.
Es ist sehr schade, dass diese außergewöhnlichen Funde nicht in einer ihrer Bedeutung angemessenen Weise präsentiert werden.
Eine lange Wegstrecke führte uns in ein wunderschönes Jura-Tal nach Baume-les-Messieurs mit Wasserfall und Sinterstufen. Wir genossen eine kleine Wanderung durch und über die Felsen.
Die Ankunft an unserem ersten Hotel in Lons-le-Saunier bot unserer müden Schar eine Überraschung, denn die Tür war abgeschlossen und niemand erreichbar. Erst nach einer Viertelstunde konnten wir nach und nach unsere Zimmer beziehen, die Koffer abstellen und schnell ins gegenüberliegende Restaurant gehen.
2. Tag, Montag, 29. Mai 2023: Arcy-sur-Cure und Guédelon.
Am Montag konnten wir nur in kleinen Gruppen frühstücken, weil das Hotel nicht genügend Platz im Frühstücksraum hatte. Das stellte die Geduld einiger Teilnehmer hart auf die Probe.
Les Grottes d’Arcy-sur-Cure sind unbedingt eine Reise wert! Im Tal der Cure gibt es zehn nebeneinander liegende Höhlen, die seit dem Mittelpaläolithikum bewohnt waren. Wie es sich in solchen „Reihenhöhlen“ wohl gelebt hat? Wir haben die Grande Grotte mit einer Führung besichtigt. Der größte Teil der Grande Grotte ist traurig anzuschauen. Die Höhle ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts touristisch erschlossen und bereits vorher wurden etliche Tropfsteine und sog. Vorhänge aus Tropfstein abgeschlagen um in Paris künstliche Grotten auszuschmücken. 1976 waren die Wände dermaßen schwarz vom Fackelruß, dass die Höhle mit Hochdruckreinigern „sauber“ gemacht wurde. Bei dieser Aktion gingen schätzungsweise 80 % der Höhlenmalereien verloren! Heute noch zu sehen sind rote und schwarze Umrisse und Gravuren von u.a. Mammut, Höhlenbär, Vogel, Hirsch, Wollnashorn, Höhlenlöwe, Fisch, Riesenhirsch und Steinbock. Viele Handabdrücke sind in Negativform aufgebracht. Es gibt einen einzigen Positivabdruck, der neben einem natürlich gewachsenen, unbearbeiteten Tropfstein hinterlassen wurde. Auf diesen Tropfstein wurden zwei Ockerpunkte gemalt, die den Eindruck einer Frauenfigur aus Stein vermitteln.
Die Malereien werden in das Châtelperronien datiert und viele davon sind im hintersten Bereich der Höhle noch unter einer schützenden Kalzit-Schicht verborgen. Noch nicht veröffentlicht und nur wenigen Besuchern zugänglich ist ein großer Adler, der weit hinten in der Höhle auf eine Decke nur 40 cm über dem Boden gemalt wurde.
Nur schwer und mit Verspätung konnten wir uns von dieser – trotz allem – beeindruckenden Höhle trennen um weiter zur Burgenbaustelle Guedélon zu fahren.
Seit 1995 wird in Guédelon an der Rekonstruktion einer Burganlage aus dem 13. Jahrhundert geplant und mit mittelalterlichen Arbeitsgeräten gebaut. In Guédelon ausgebildete Handwerker arbeiten beim Wiederaufbau von Nôtre-Dame in Paris mit, die 2019 brannte, und können mit ihrer Erfahrung einen großen Beitrag dazu leisten.
Die Übernachtung war in Auxerre mit abendlichem Stadtrundgang durch die schmalen Gassen mit wunderschönen Fachwerkhäusern und eindrucksvoller Kathedrale.
3. Tag: Dienstag, 30. Mai 2023: Roc aux sorciers.
Am Dienstag haben wir das beeindruckende Informationszentrum zum Roc aux sorciers in Angles-sur-l’Anglin besucht. Die Fundstelle ist nicht zu besichtigen, jedoch gibt es hier einen Abguss des Frieses, der auch berührt werden darf. Der magdalénien-zeitliche Abri mit dem 20 Meter langen Fries mit Halbreliefs verschiedener Tiere und auch Menschendarstellungen wurde 1927 entdeckt und ist bis heute noch nicht komplett ausgegraben. Der Abri ist vor ca. 14.000 Jahren verstürzt und dadurch wurden das Fries und Überreste der Besiedlung gut konserviert. Bislang gibt es keine menschlichen Überreste und im Informationszentrum sind leider keinerlei sonstige Funde ausgestellt. Das Fries wurde in Abschnitten unterteilt gestaltet, die von aus dem Fels gehauenen Ringen und natürlichen Spalten voneinander getrennt sind. Die Ringe waren vermutlich Befestigungsmöglichkeiten für eingezogene Zeltwände. Erstaunlicherweise sind die Darstellungen aus ein paar Metern Entfernung besser zu erkennen, als wenn man direkt davor steht. Die Anfahrt nach Angles-sur-l’Anglin war sehr lange, hat sich jedoch vollauf gelohnt!
Die nächsten zwei Nächte verbrachten wir in einem Hotel in einem Vorort von Tours. Dass wir von der wunderschönen Stadt Tours nur ein Foto in der Hotellobby gesehen haben war in Anbetracht der tollen Museen und Fundplätze sowie Kurts Vortrag über die Domestikation des Wolfes während der Busfahrt leicht zu verkraften.
4. Tag: Mittwoch, 31. Mai 2023: Grotte La Marche und Musée Le Grand Pressigny.
Der Mittwoch führte uns von unserem Hotel in Tours nach Lussac-les-Chateaux ins Musée de Lussac im Stadtzentrum. Durch unsere zeitige Ankunft blieb noch Zeit für einen Besuch beim Bäcker, wo Einige noch etwas Leckeres für’s anschließende Picknick gefunden haben. Der allgemein gehaltene Teil des Museums zur Prähistorie ließ uns über schöne Silexstücke aus verschiedenen Perioden staunen, aber das Highlight der Ausstellung sind die geritzten Steinplatten aus dem Magdalenién, die teilweise menschliche Antlitze im Profil und auch vollständige Menschen zeigen. Menschliche Darstellung sind in der gesamten Altsteinzeit eher selten, hier jedoch gibt es 220 zum Teil karikaturartige Gesichter mit sehr lebhaftem Ausdruck. Die insgesamt etwa 1.500 Steinplatten oder Plaketten bestehen aus anstehendem Kalkstein, der zunächst mit Ocker oder Holzkohle eingefärbt und dann geritzt wurde. Anschließend wurden die Steine im hinteren Teil der Grotte La Marche (verstürzter Abri) intentionell auf dem Boden deponiert. Die Wände und Decken des Abris waren nicht verziert, wovon wir uns nach einem schönen Spaziergang durch das mittelalterliche Städtchen und vorbei an riesigen Feigenbäumen und dem alten Gerberviertel mit aus den Hauswänden ragenden Kuhhörner, an denen die Häute zum Trocknen aufgehängt worden waren, selbst überzeugen konnten.
An diesem Tag hatten wir ausnahmsweise mal Zeit für ein Picknick und Schläfchen an einem See, meist haben wir unterwegs im Bus gevespert.
Nachmittags fuhren wir nach Le Grand Pressigny ins Museum, das in einer alten Burganlage untergebracht ist. Die Architektur des Museums ist heutzutage eine Mischung aus Ruine, Schloss des 16. Jhd. und modernem Betongebäude, die sich überraschend harmonisch zusammenfügen. Im Hof stehen lebensgroße Modelle von Bison, Mammut und Riesenhirsch zusammen mit bequemen Liegestühlen. Die Dauerausstellung des Museums zeigt u.a. eine beeindruckende Sammlung an Silizes (sog. Livres de beurre) aus dem Endneolithikum, die beinahe industriell zu „genormten“ Klingen von ca. 30 cm Länge verarbeitet und in halb Europa gehandelt wurden. Klingen aus Le Grand Pressigny wurden unter anderem in der Bretagne, den Niederlanden und Deutschland gefunden.
5. Tag, Donnerstag 01.06.2023: Wald von Fontainebleau.
Am Donnerstag führte uns eine aufregende Fahrt in den Wald von Fontainebleau zu dreien von über 2.500 mit Ritzungen verzierten Felsspalten bzw. ausgehöhlte Sandsteinfelsen. Der genaue Fundort der allermeisten Ritzzeichnungen wird geheim gehalten, nachdem man mit Hinweisschildern und auch dem Bau einer Mauer zum Schutz der Zeichnungen schlechte Erfahrungen gemacht hat. Die nicht-figürlichen, nicht-organisierten und akkumulativen Ritzzeichnungen werden überwiegend im Mesolithikum verortet, ausgenommen zwei wunderschöne Pferdchen, die durch Stilvergleich mit Lascaux in das Magdalénien datiert werden. Im Wald gibt es kein Wasser und kein Feuersteinvorkommen, eine Siedlungstätigkeit ist daher unwahrscheinlich. Wozu die mit Silex und auch Sandsteinbruchstücken tief in den Fels eingeritzten Linien, Quadrate, Grübchen usw. angefertigt wurden, wird wohl Spekulation bleiben.
Kurt lag mehr als zwei Stunden im kühlen Felsen, um einem nach dem anderen die zwei Pferde und auch eine deutlich erkennbare Vulva zu zeigen, wobei Beine und Bauch einer Frau durch den anstehenden Fels gebildet werden.
Nachmittags ging es weiter nach Nemours ins Musée départemental de préhistoire d’Ile de France mit Führungen durch die Dauer- und die Sonderausstellung. Das Museum fügt sich recht harmonisch in den umgebenden Wald ein und besitzt mehrere Innenhöfe, die passend zum jeweiligen gezeigten Zeitabschnitt des korrespondierenden Ausstellungsraumes bepflanzt sind. Herauszuheben ist hier ein sich in der Nähe befindlicher Freilandfundplatz aus dem Magdalénien mit sehr vielen Silexfunden aus qualitätvollem Stein aber unterschiedlich guter Verarbeitung, der eine Art Lehrwerkstatt für die Feuersteinbearbeitung gewesen sein könnte. Aus diesem Komplex stammt auch ein Sandstein mit Gravuren eines liegenden Pferdes mit überproportional langen Beinen und geschlossenen Augen, hinter dem eine Art „Löwenmensch“ steht. Auf der gegenüberliegenden Seite des Steines gibt es übereinander gravierte Rentiere und ein weiteres Pferd. Aus dem Mesolithikum ist einer der ältesten Einbäume der Welt zu sehen und in der neolithischen Sammlung stechen tönerne Venusfiguren mit Aushöhlungen hervor, die vermutlich zur Aufnahme eines Kopfes aus vergänglichem Material dienten.
Die aktuelle Sonderausstellung zeigte neuere Funde aus dem Wald von Fontainebleau, nämlich gravierte Steine und Felsen aus der ausgehenden Bronzezeit, die – im Gegensatz zu den oben erwähnten mesolithischen Darstellungen – lokal eng begrenzt und nicht ohne weiteres sichtbar angebracht bzw. deponiert worden sind. Diese „geheimen Steine“ scheinen Geschichten aus der Mythologie der damaligen Menschen zu erzählen, die einige Ähnlichkeit mit der keltischen Mythologie besitzt.
Nach diesem wundervollen Tag voller mystischer Impressionen hat uns Paris mit seinen vollen Straßen beinahe erschlagen.
6. Tag: Freitag, 02. Juni 2023: Paris.
Am Freitag haben wir uns in zwei Grüppchen zum Musée de l’Homme begeben, einige sind mit der Métro gefahren und einige sind zu Fuß gelaufen. Nachdem wir das Museum gemeinsam betreten haben, haben wir uns getrennt und die Ausstellung und anschließend Paris alleine erkundet. Kurt war erleichtert, dass wir uns alle am nächsten Morgen beim Frühstück wiedergefunden haben. Das Musée de l’Homme ist recht sehenswert, nur leider konnten wir die Venus von Lespugue aus konservatorischen Gründen nicht anschauen. Aber die Venus wurde in einem Filmchen erläutert, der in dieser Form ohne Mitarbeit des URMU nicht hätte entstehen können.
7. Tag, Samstag, 03. Juni 2023: Reims und Metz.
Der Samstag brachte uns zunächst nach Reims, wo wir – ohne Führung – die Kathedrale oder je nach Belieben auch nur den dortigen Mittelaltermarkt besucht haben.
In Metz blieb vor der gebuchten Führung durch das Musée La Cour d’Or noch freie Zeit um durch das Städtchen zu streifen und die Kathedrale oder die Markthalle zu besichtigen. Das Museum wurde auf den Fundamenten einer römischen Therme erbaut, die heute Teil der Ausstellung ist. Metz – oder besser gesagt Divodurum – war eine wohlhabende Handelsstadt im Römischen Reich, deren Bewohner ihren Reichtum gerne zur Schau gestellt haben. So sind heute große Mosaikfußböden und reich verzierte Grabsteine und u.a. eine wundervolle Urne aus ägyptischem Onyx erhalten geblieben. Zu den Superlativen gehören ein ungewöhnlich großer und beinahe vollständig erhaltener Mithras-Altar sowie das größte Amphitheater seiner Zeit im Römischen Reich.
8. Tag: Sonntag, 04. Juni 2023: Bliesbruck-Reinheim und Herxheim.
Die Nacht verbrachten wir in Zweibrücken und fuhren gut ausgeruht an unserem letzten Tag der Exkursion zunächst in den Europäischen Kulturpark Bliesbruck-Reinheim. Die Gegend hat eine lange Besiedlungsgeschichte mit u.a. Lesefunden von Steinwerkzeugen des Homo Erectus. Im kleinen aber feinen Maison Jean Schaub werden auch Hortfunde aus der späten Bronzezeit mit Keramikschalen, Armreifen, Klappergeschirre für Zaumzeug und unbrauchbar gemachte Waffen ausgestellt sowie die Rekonstruktion eines spätkeltischen Umgangtempels. Ebenfalls aus der Latène-Zeit stammt ein reich ausgestattetes Fürstinnengrab mit Goldschmuck und einer großen bronzenen Kanne, das beim Kiesabbau im Jahr 1952 gefunden wurde. Die Römer haben sich ab ca. 50 v. Chr. in der Gegend niedergelassen und neben einer palastartigen Villa ein Städtchen mit Handwerkerviertel und großer Therme hinterlassen.
Zwar mit Umweg aber ohne Verspätung kamen wir schließlich an unserer letzten Station in Herxheim an. Im Museum, das wir in zwei Gruppenführungen nacheinander besucht haben, wird im Erdgeschoss die Geschichte einer ganz gewöhnlichen linearbandkeramischen Siedlung dargestellt, die etwa 300 Jahre lang bewohnt war. Im Keller des Gebäudes jedoch begaben wir uns in das „Reich der Spekulation“, in der die ca. 50 Jahre dauernde „Ritualzeit“ am Ende der neolithischen Besiedlung behandelt wird. In zwei Gräben und mehrerer Gruben wurden schätzungsweise 1.000 Menschen beigesetzt. Die genaue Anzahl lässt sich nicht mehr ermitteln, da die frischen Knochen zum weitaus überwiegenden Teil entfleischt und kleinteilig zerschlagen worden sind. Klar ist, dass die Menschen, die in Herxheim gestorben (worden) sind, aus einem Umkreis von ca. 400 km kamen und prunkvolle Keramik aus ihrer Heimat mitgebracht haben.
Im Anschluss haben wir uns ganz herzlich bei Kurt Langguth für die erneut hervorragende wissenschaftliche Reiseleitung, bei Manfred Gaßner für die perfekte Organisation und bei Betina Koch für die fließenden Übersetzungen bedankt und uns von einigen Mitreisenden verabschiedet. Erstaunlicherweise konnten wir ohne Stau nach Leinfelden durchfahren, wo ich den Bus mit einem weinenden Auge verlassen habe.