On the Reconstruction of the Mammoth Ivory Flute from Geißenklösterle Cave. A Field Report

Seit der Entdeckung der Flöten aus den Aurignacien-Schichten der Höhlen auf der Schwäbischen Alb beschäftigt sich der Autor mit der Rekonstruktion dieser bislang ältesten Musikinstrumente der Welt. Der folgende Bericht beschreibt die Erfahrungen, die bei der Arbeit gesammelt werden konnten, am Beispiel des jüngsten Nachbaus der Mammutelfenbeinflöte aus dem Geißenklösterle.
Wulf Hein
Buchenstr. 7
61203 Dorn-Assenheim
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Abstract

Since the discovery of the flutes from the Aurignacian layers of the caves in the Swabian Jura, the author has been engaged in reconstructing these so far oldest musical instruments in the world. The following report describes the experiences gained during the work, using the example of the latest replication of the mammoth ivory flute from Geißenklösterle Cave.

„… wenig mehr als ein Rohr mit ein paar Löchern …“

Mit diesen Worten, die dem französischen Komponisten André Jolivet (1905-1974) zugeschrieben werden, beschreibt er die Flöte als ein „(…) Musikinstrument par excellence (…), das dem Spieler gestattet, seinen tiefsten Gefühlen mit den einfachsten Mitteln Ausdruck zu verleihen“. Das war offenbar schon den Menschen der Eiszeit bewusst, und nicht ohne Grund sind die bis dato ältesten gesicherten Musikinstrumente der Welt Flöten, gefunden in den Karsthöhlen der Schwäbischen Alb.

Interessant an Jolivets Zitat sind die zwei Wörter „wenig mehr“, denn in der Tat sind zwar fast alle bisher gefundenen altsteinzeitlichen Flöten aus Knochen, hauptsächlich den Armknochen großer Vögel, hergestellt worden, es handelt sich also um natürliche Rohre mit eingebohrten oder -geschabten Grifflöchern (Buisson 1990; Hahn und Münzel 1995; Käfer 1998; Conard et al. 2009). Doch neben weiteren Fragmenten gibt es vor allem eine Ausnahme in Gestalt der Flöte aus Mammutelfenbein, die in den aurignacienzeitlichen Schichten der Geißenklösterle-Höhle im Achtal bei Blaubeuren entdeckt wurde (Conard et al. 2004) und auf deren Herstellung man ein „wenig mehr“ Arbeit verwendet hat. Die Stoßzähne von Mammuts sind im hinteren, am Kopf sitzenden Teil hohl und stecken auf einem kegelförmigen Zahnkeim, aber diese Höhlung ist trichterförmig, denn „bildlich dargestellt besteht der Stoßzahn aus zahlreichen ineinander gestülpten Dentinkegeln“ (Banerjee et al. 2011, 3), also salopp gesprochen ist er aufgebaut wie viele ineinander gesteckte Eistüten. Daraus lässt sich nicht in so einfacher Weise eine Flöte anfertigen wie aus einem Vogelknochen, der ja eine Röhre mit annähernd gleichmäßigen Durchmessern und Wandstärken über die ganze Länge darstellt. Und doch haben die eiszeitlichen Handwerker diese schwierige und aufwändige Arbeit auf sich genommen.

Die Frage nach dem Warum? ließe sich eventuell damit beantworten, dass auch die Knochen der größten Greif- und Wasservögel wie Geier, Adler oder Schwan die maximale Länge eines daraus erzeugten Blasinstrumentes begrenzen – mehr als ca. 26 cm misst keine der Ellen (lat. ulnae) oder Speichen (lat. radii). Will man eine Flöte mit größeren Dimensionen bauen, muss man das Rohr künstlich erschaffen. Als Werkstoff bietet sich der Stoßzahn eines Mammuts geradezu an, ist dieser doch sehr hart und gleichzeitig elastisch und lässt sich obendrein mit Steinwerkzeugen gut bearbeiten. Die so genannte Flöte 3 aus dem Geißenklösterle (GK 3) misst heute noch 187 mm, ist jedoch wahrscheinlich nur fragmentarisch erhalten. Angesichts der weiteren Funde aus der Höhle zeigt sich, dass es möglich war, Rundstäbe mit einer Länge von 35 cm, wahrscheinlich sogar bis zu einem Meter herzustellen (Hahn 1988, 204).

Bisherige Versuche zur Rekonstruktion

Wie dieser Stab dann gespalten und ausgehöhlt werden kann, haben Maria Malina und Ralf Ehmann im Rahmen eines archäologischen Experiments eindrücklich nachvollzogen (Malina und Ehmann 2009). Außerdem untersuchten sie die Elfenbeinfragmente aus den Grabungshorizonten der Höhle erneut und konnten feststellen, dass der oben erwähnte 35 cm lange Span aus den AH IIb und III deutliche Zeichen eines solchen Bearbeitung aufweist (Ebd. 104). Dazu wird zunächst ein Span aus der äußeren Schicht des Stoßzahns ausgelöst, rund geschabt (Abb. 1) und lateral auf der ganzen Länge beidseitig gerillt (Abb. 2) Es folgt das Einschneiden vieler kleiner Kerben senkrecht zur zukünftigen Klebefuge mit einem Silexmesser (Abb. 3). Wahrscheinlich dienten diese Kerben zur Vergrößerung der Klebefläche, ein Verfahren, das im Paläolithikum ähnlich auch bei Geschossspitzen angewandt wurde (Stodiek 1993, 167; s. auch Dutkiewicz 2021). Dann wird der Stab mittels kleiner Keile gespalten, was nur exakt an der Grenze zwischen dem ganz außen liegenden Zahnzement und dem darunter befindlichem Dentin möglich ist. Abschließend werden beide Hälften mittels eines kleinen Silexwerkzeugs ausgeschabt und wieder zusammengesetzt (Abb. 4).

Auf eine weitergehende Rekonstruktion haben Malina und Ehmann seinerzeit verzichtet, weil die Länge des Originalinstrumentes nicht bestimmbar ist. Friedrich Seeberger, der sich wie kein zweiter mit den Achtalflöten und ihrer Spielweise beschäftigte (Seeberger 1998, 1999) und es verstand, seine Nachbauten meisterhaft zum Klingen zu bringen, hat nach der Entdeckung der Flöte zunächst einen Nachbau aus Holunderholz hergestellt (Conard et al. 2004, 458; mündl. Mitt. F. Seeberger), später dann auch einen aus Elfenbein (Malina und Ehmann 2009, 94), diesen aber leider nicht mehr publizieren können. 2013 hat dann ein Team des Urgeschichtlichen Museums Blaubeuren erstmals den gesamten weiteren Herstellungsprozess nachvollzogen und beschrieben (Trommer et al. 2013).

Aktuelle Versuche zur Konstruktion der Flöte GK 3

Ich beschäftige mich schon seit der Entdeckung der Flöten im Achtal mit der experimentellen Herstellung dieser einzigartigen Funde und habe damals zusammen mit dem Ausgräber des Geißenklösterle, J. Hahn, auch die ersten Rekonstruktionsversuche unternommen (Hahn und Hein 1995; Hein und Hahn 1998). Es folgten im Zuge meiner Arbeit zahlreiche Nachbildungen von Elfenbeinfunden, u.a. des Löwenmenschen aus dem Hohlenstein-Stadel, der Venus- und weiterer Tierfiguren von der Schwäbischen Alb (zusammenfassend Hein 2018), davon viele mit authentischem Werkzeug. Dabei konnten umfangreiche Erfahrungen im Umgang mit dem Material Mammutstoßzahn gewonnen werden, auch beim Nachbau von bisher vier Flöten vom Typ GK 3, von denen eine bereits Gegenstand von musikarchäologischen Untersuchungen war (Potengowski und Münzel 2015; vgl. auch Münzel et al. 2016).

Shaping of the cut out ivory rod
Fig. 1: Shaping of the cut out ivory rod (all illustrations: W. Hein).
Grooving with a narrow burin
Fig. 2: Grooving with a narrow burin.
Cutting of the notches
Fig. 3: Cutting of the notches over the glue line with a blade.
Hollowing out the halves with an endscraper
Fig. 4: Hollowing out the halves with an endscraper.


Im Wesentlichen kann ich die Ergebnisse des Blaubeurener Experiments bestätigen. Allerdings hatte ich beim gleichmäßigen Aushöhlen der beiden Stabhälften (Abb. 4) an den Enden nicht so große Schwierigkeiten wie die Kollegen (Trommer et al. 2013, 65); dies mag daran liegen, dass ich beim Schnitzen des Löwenmenschen in Hunderten von Arbeitsstunden genug üben konnte. Letztlich ist es dann auch eine Geduldsfrage, welche Präzision der Schnitzarbeit am Ende erreicht wird. Vorausgesetzt, dass ein frischer Mammutstoßzahn (annähernd) dieselben Eigenschaften aufweist wie rezentes Elfenbein, kann ich die Fragen der Blaubeurener Gruppe (Ebd. 63) hinsichtlich der Bearbeitbarkeit wie folgt beantworten: Der Elefantenstoßzahn, aus dem ich den Löwenmenschen hergestellt habe, war genauso hart und schwer zu bearbeiten wie das fossile Elfenbein, das ich für alle anderen Replikationen verwendet habe und welches aus derselben Quelle stammt wie das in ihrem Versuch verwendete. Das muss jedoch nicht für jedes fossile Material gelten: Wie eine Begebenheit anlässlich meines Workshops im British Museum in London zeigte, kann Elfenbein aus unterschiedlichen Teilen desselben fossilen Stoßzahns sehr verschiedene Eigenschaften haben (Hein 2018, 442). Fraglich ist allerdings, ob solches Material sich dann zur Herstellung einer Flöte eignet, für die man ja eher die beste Qualität aussuchen würde, weil die Wandstärke des künstlich erschaffenen Rohres mit nur 1,5 mm sehr dünn ist und es vor allem auf die Stabilität und Passgenauigkeit der Ränder ankommt, wenn beide Hälften zusammengesetzt werden.

Im Unterschied zum Blaubeurener Team habe ich jedoch diese Ränder nicht abgeschrägt, sondern lediglich an der Außenseite eine kleine Fase (abgeschrägte Fläche) angeschliffen. Auch habe ich nicht die Hälften zusammengesetzt, fixiert und dann den Klebstoff eingebracht, sondern zuerst den Klebstoff auf beide Hälften aufgetragen (Abb. 5), über einer Fettlampe gleichmäßig erhitzt und dann die beiden Teile zusammengefügt (Abb. 6). Zum Verkleben habe ich ebenfalls Birkenpech verwendet, das im Doppeltopfverfahren hergestellt wurde und daher sehr fein ausgefallen ist. Ob eine derartige Qualität im Aurignacien akeramisch hergestellt werden konnte, ist unklar, aber prinzipiell lässt sich der Klebstoff aus Birkenrinde auch ohne Töpfe gewinnen (Palmer 2007; Schmidt et al. 2019). Beim Eindicken des gewonnenen Teers zu Pech lässt sich durch die Dauer des Vorgangs die Viskosität mit etwas Erfahrung relativ genau einstellen. Wenn man Elfenbein oder andere Materialien verkleben will, muss man sehr darauf achten, dass das Pech nicht zu weich ist, sonst schmilzt es bei geringen Temperaturen und schmiert anstatt zu kleben. Es darf aber auch nicht zu hart sein, sonst wird es spröde und bröckelt aus der Klebefuge wieder heraus. Bei meiner eigenen GK 3-Flöte, die ich 2012, hergestellt habe und die ich seither bei unzähligen Veranstaltungen und Reisen mitgeführt, gezeigt und (mit meinen sehr bescheidenen Fähigkeiten als Flötist) auch gespielt habe, sind die Klebefugen noch völlig intakt.

Applying the adhesive birch pitch to the adhesive surfaces
Fig. 5: Applying the adhesive birch pitch to the adhesive surfaces.
Putting the two halves together and warming them carefully
Fig. 6: Putting the two halves together and warming them carefully.
Scraping off the excess adhesive with a burin
Fig. 7: Scraping off the excess adhesive with a burin.
Wrapping the body of the flute with wet animal tendon
Fig. 8: Wrapping the body of the flute with wet animal tendon.


Wenn sich beim Zusammenfügen der Hälften Pechwülste im Rohr bilden, kann man das Innere leicht erwärmen und die Wülste mit einem ebenfalls erwärmten Knochen- oder Holzstab vorsichtig glätten. Allzu starke Wülste würden den Luftstrom und damit die Spielbarkeit beeinflussen. Abschließend wird das überständige Pech auf der Oberfläche vorsichtig mit einem Stichel abgeschabt (Abb. 7).

Eines ist meines Erachtens sicher: Ohne Klebstoff ist eine luftdichte Verbindung beider Hälften, ohne welche wiederum die Flöte nicht spielbar wäre, unmöglich. Welches Material dafür aber tatsächlich verwendet wurde, ist noch unklar (Conard et al. 2004, 456). Frank Trommer, der an dem Blaubeurener Experiment teilnahm, hat inzwischen bei neuen Nachbauten mit Erfolg eine Mischung aus Harz und Wachs – und fallweise sogar Öl – benutzt (frdl. persönl. Mitt.). Über die Verwendung einer solchen Mixtur bzw. einzelner Bestandteile im Paläolithikum wurde schon früher spekuliert (Stodiek 1993, 151), mittlerweile ist sie durch entsprechende Funde nachgewiesen (Thieme et al. 2014, 68; Baales et al. 2017, 1160).

Abschließend muss das Flötenrohr mittels einer Bindung gesichert werden (Abb. 8). Sowohl das Holdermann-Team in Blaubeuren als auch ich verwenden dafür Tiersehne, in meinem Fall Beinsehnen vom Rentier. Diese werden (falls getrocknet in Wasser eingeweicht, sonst in frischem Zustand) zwischen zwei Kieseln geklopft und dann in ganz feine Fäden aufgeteilt. Anschließend legt man diese einzeln und nass in mehreren Lagen um die Flöte herum, das – möglichst dünne – lose Ende wird ein- oder zweimal unter der letzten Windung hindurchgezogen, damit es sich nicht wieder ablösen kann. Beim Trocknen zieht sich diese Wicklung sehr stark zusammen, gleichzeitig verkleben die einzelnen Fasern miteinander, sodass eine stabile und haltbare Verbindung den Zusammenhalt der beiden Flötenhälften garantiert.

Es kommen natürlich auch andere Materialien wie Pflanzenfasern, etwa der Bast von Weiden oder Brennnesselfasern, und evtl. sogar dünne Leder- oder Rohhautstreifen infrage, aber mit Sehne haben wir bisher die besten Erfahrungen gemacht. Außerdem trägt eine Bindung mit diesem Material nur sehr gering auf, was beim Spielen der Flöte von Vorteil ist, da man besser umgreifen kann. Ob zusätzlich ein Klebstoff verwendet wurde (Conard et al. 2004, 456), ist noch unklar, es könnte sich dabei um Hautleim handeln, der mittlerweile zumindest für das Neolithikum nachgewiesen ist (Bleicher et al. 2015). Dieser würde in der Tat die Haftung einer (Sehnen)Bindung noch weiter verbessern.

Scraping the finger holes with a burin
Fig. 9: Scraping the finger holes with a burin.
Creation of the labium by grinding on a fine sandstone
Fig. 10: Creation of the labium by grinding on a fine sandstone.


Ob die Grifflöcher vor dem Zusammensetzen der Hälften angebracht wurden oder erst danach, lässt sich nicht mehr klären, auf jeden Fall geschah dies aber erst nach dem Aushöhlen der einen Hälfte (frdl. Mitt. Malina). Die Blaubeurener haben sie vorher eingeschabt, ich ziehe es vor, diesen Arbeitsgang erst nach dem Zusammenbau vorzunehmen (Abb. 9). Dann ist das Rohr wieder stabiler und lässt sich leichter handhaben. Wie ich schon bei der Arbeit am Löwenmenschen erfahren konnte, muss beim Schaben immer „mit der Faser“ gearbeitet werden, also von der Oberfläche der Flöte nach unten ins Griffloch hinein. Arbeitet man umgekehrt und gegen die Faser, beginnt das Steinwerkzeug zu ‚rattern‘ und hinterlässt kleine unschöne Absätze. Nicht nachvollziehen kann ich die Bemerkung im Bericht von Trommer et. al. (2013), dass die Ränder der Grifflöcher scharf sein müssen, um den Luftstrom zu brechen. Der Flötenton wird ja ausschließlich am Mundstück erzeugt, an dessen Labium der Luftstrom geteilt werden muss. Wäre dies nicht der Fall, würden moderne Blockflöten oder die Flöte von der österreichischen Fundstelle Grubgraben (Einwögerer und Käfer 1998) mit gebohrten Löchern gar nicht funktionieren. Abschließend erfolgt das Anbringen der Anblaskerbe, das ich auf unterschiedlich feinen Schleifsteinen vornehme (Abb. 10).

Im Frühjahr 2020 wurde ich von Prof. David Haskell von der University of the South, Sewanee, Tennessee, USA, gebeten, ihm eine Rekonstruktion der Mammutelfenbeinflöte anzufertigen. Diese sollte nicht zwingend ein exakter Nachbau der Flöte sein, sondern in erster Linie die technischen Fähigkeiten der Eiszeitjäger demonstrieren. Da ich noch einen Elfenbeinstab von 35 cm Länge vorrätig hatte, schlug ich meinem Auftraggeber vor, den Nachbau auf dieses Maß zu verlängern, und setzte mich gleichzeitig mit Anna Friederike Potengowski, Flötistin und ausgewiesenen Expertin für paläolithische Flöten, in Verbindung, weil dies für uns eine einmalige Chance war, eine ergänzte Version nach ihren Vorstellungen herstellen und auch spielen zu können (Abb. 11). Die Dimensionen und Positionen der Grifflöcher und des Labiums folgen denen der Mammutelfenbeinflöte (GK3, Labium), der Flöte vom Hohle Fels (HF 1, fünf Löcher ab dem proximalen Ende) und den Maßen von A. F. Potengowskis Hand (zwei Löcher distal). Prof. Haskell war damit einverstanden, und so entstand die aktuelle Version einer paläolithischen Flöte aus Mammutstoßzahn (Abb. 12).

Schematic sketch of the dimensions and positions of the finger holes and the labium
Fig. 11: Schematic sketch of the dimensions and positions of the finger holes and the labium, taking into account the flutes GK3 and HF1 as well as the hand dimensions of the flutist A. F. Potengowski.

Die Verklebung der beiden Hälften habe ich aus Gründen der besseren Haltbarkeit versteckt mit einem modernen Zweikomponenten-Kleber vorgenommen und meinte, deswegen auf eine Wicklung direkt am Anblasende verzichten zu können. Ich wurde jedoch schnell eines Besseren belehrt, denn das Elfenbein „arbeitet“, sprich verzieht sich, wie schon Malina und Ehmann (2009, 107) bemerken:

„Beim Versuch [musste] darauf geachtet werden, die beiden Hälften nicht zu lange unabhängig voneinander liegen zu lassen. Nur passgenau und fest aneinander geschnürt, konnten sie auch passend bleiben.“

Nachdem A. F. Potengowski die Flöte ein paar Tage gespielt hatte, lösten sich die Hälften am Mundstückende voneinander. Zwei zusätzliche Wicklungen sorgten hier jedoch für Abhilfe, seither bleiben die beiden Hälften in Position und haben sich nicht mehr verändert.

ivory flute
Fig. 12: The finished ivory flute.

Literatur

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