Abstract
This paper examines a renaturation of the former Schöningen opencast lignite mine into a wilderness area. Megaherbivores are to be used to maintain an open landscape. Types of animals selected are based on their use in helping to emulate a prehistoric landscape. In order to establish a wilderness area with consideration to the carrying capacity of the landscape, the WoodPaM simulation programme was employed to help adjust for climate change and grazing scenarios. The results show that the intensity of grazing as well as the influence of climate change have a strong impact on the development of the landscape.
Human intervention is excluded in the simulation in order to tie the findings into the debate on wilderness in Germany and to recreate a prehistoric landscape. Animal species simulated were bison (Bos bonasus), red deer (Cervus elaphus), fallow deer (Dama dama) and horse (Equus przewalski) with numbers ranging from 28 (0.05 LSU per hectare) to 105 (0.2 LSU per hectare) individuals. Drought stress due to climate change is considered to be the limiting factor for plant growth. Even small changes in grazing intensity alter growth in the tree and field layers.
In summary, the model calculations in WoodPaM reflect the real landscape as accurately as possible, but individual points in a complex ecosystem cannot be simulated. The results provide starting points for the future handling of the Schöningen opencast mine and can possibly be transferred to other opencast mines.
Einleitung
Die nationale Biodiversitätsstrategie hatte zum Ziel, im Jahr 2020 2 % der Landesfläche von Deutschland als Wildnisgebiete auszuweisen. Allerdings waren es 2020 nur 0,6 %. Wildnis weist durch den Ablauf natürlicher Prozesse ohne das Eingreifen des Menschen eine hohe Biodiversität auf und bietet viele Lebensräume für die verschiedensten Arten. Auf diese Grundlage wurde die europäische Biodiversitätsstrategie mit dem Ziel, 30 % der Meeres- und Landesfläche unter Schutz zu stellen, veröffentlicht. Absichten sind hierfür, die Biodiversität zu erhöhen, CO2 einzusparen und der Wirtschaft nicht zu schaden (Rosenthal et al. 2016).
Die Biodiversität kann mit einem Wildnisgebiet gefördert werden. Hierbei sind jedoch zwei Herausforderungen in der Aufgabenstellung zu berücksichtigen: Zum einen ist das Bodenverhältnis durch den früheren Braunkohleabbau gestört. Zum anderen etabliert sich eine Wildnis nur über einen sehr langen Zeitraum, weswegen der anthropogene Klimawandel bei einer Prognose der Entwicklung mit betrachtet werden muss. (Bunzel-Drüke et al. 2008).
Untersuchungsgebiet
Der Tagebau Schöningen in Niedersachsen bietet mit seinen knapp über 500 Hektar Fläche und der Lage auf dem Grünen Band einen guten Standort, um ein Wildnisgebiet zu entwickeln. Zurzeit ist geplant, den Tagebau durch den natürlichen Grundwasseranstieg volllaufen zu lassen. Dadurch würden die aktuellen und zukünftigen potenziellen Lebensräume verloren gehen. Außerdem haben Wasserproben bereits gezeigt, dass der See erst einmal sehr sauer sein wird und damit in näherer Zukunft keinen vielfältigen Lebensraum bietet.
Fragestellung
Die Idee einer Wildnis mit Megaherbivoren, welche einer natürlichen prähistorischen Landschaft entsprechen könnte, ist schon länger vorhanden. Allerdings gibt es noch keine genauen Studien, ob und wie die Tiere im Tagebau überleben und wie die Landschaft langfristig aussehen könnte. Zudem fehlen langfristige Studien zu Renaturierungen von Braunkohletagebauen aufgrund der Aktualität des Themas.
Die Modellberechnungen werden im prozessbasierten Simulationsprogramm WoodPaM (Wood-Pasture-Model) durchgeführt (Gillet 2008). Hierfür wird die Landschaft des Tagebaus aufgearbeitet und im Modell implementiert. Für die Aufarbeitung wurden im März 2021 Vegetationserhebungen am Südhang des Braunkohletagebaus Schöningen durchgeführt (Abb. 1). Die erhobene Vegetation wurde mit Hilfe von Tabellen in Futterwerte kategorisiert.
Zusätzlich diente der Aufwuchs zur Einschätzung von zukünftiger Etablierung der Vegetation (Ellenberg et al. 1992; Sturm et al. 2018), welche ebenfalls im Modell ein wichtiger Einflussfaktor ist.
Um den Klimawandel abzubilden, werden jeweils vier Szenarien mit zwei Klimawandelszenarien durchgeführt (Abb. 2). Diese wurden ab der Aufgabe der Nutzung im Jahr 2016 bis zum Jahr 2300 simuliert. In allen Szenarien fehlt im Tagebau zu Beginn ein Diasporenpotenzial, welches sich erst durch natürliche Verbreitung etablieren muss. Um an die Debatte zu Wildnis in Deutschland anzuknüpfen und um eine prähistorische Landschaft nachzustellen, wurden Eingriffe durch den Menschen ausgeschlossen. Wisent (Bos bonasus), Rothirsch (Cervus elaphus), Damwild (Dama dama) und Pferd (Equus przewalski) zählen mit einer Anzahl zwischen 28 (0.05 GVE pro Hektar) und 105 (0.2 GVE pro Hektar) Individuen zu den simulierten Tierarten.
Für das Studiengebiet bedarf es einer Anpassung des Modells. Geographische Daten werden mit einem Geländemodell aufgearbeitet und Flora sowie Fauna für das Gebiet bestimmt. Zusätzlich werden die Klimadaten mit Hilfe eines Spin-Up Modelldurchlaufs angepasst und aufbereitet.
Ergebnisse
Nachfolgend werden die Ergebnisse der Modellberechnungen konzise dargestellt. Der Braunkohletagebau ist durch seinen kohlehaltigen Rohboden und wenig bis gar keinem Diasporenpotenzial ein Extremstandort für Pflanzen. Die Vergleichsszenarien ohne Megaherbivoren ermöglichen einen Baumaufwuchs ohne Störung. Der limitierende Faktor ist der Klimawandel und der damit verbundene Trockenstress. Detaillierte Ergebnisse der genauen Betrachtung der einzelnen Szenarien bezogen auf die Baum- und Feldschicht, einzelner Pflanzenarten sowie die Etablierung der Habitatstrukturen können auf persönliche Anfrage weitergeleitet werden.
Prozessschutzszenarien
Im Prozessschutz unterscheiden sich die beiden Klimawandelszenarien vor allem im Bedeckungsgrad der mittleren Baumschicht und der Etablierung des Waldes. In beiden Szenarien ist die Waldkiefer (Pinus sylvestris) mit über 50 % in ferner Zukunft etabliert. Die Feldschicht entwickelt sich zu einer Waldbodenflora, allerdings im moderat-trockenen Szenario deutlich langsamer. Die relative Deckung der Habitate ist in beiden Szenarien stark verschieden, da der Trockenstress im moderat-trockenen Szenario das Wachstum besonders hemmt. Die räumlich-strukturelle Verteilung der Habitate ist allerdings im moderat-feuchten Klimawandelszenario diverser. Alles in allem wird sich bei beiden Klimawandelszenarien ein Wald etablieren, im moderat-trockenen Szenario wird der Baumbedeckungsgrad von 70 % nicht überschritten.
Habitatstrukturen und Strukturdiversität in den Beweidungsszenarien
Im moderat-feuchten Klimawandelszenario bleibt in naher Zukunft (2030 AD) die Landschaft durchgehend unbewaldet. In mittlerer Zukunft (2050 AD) ist die Entwicklung zu spärlich bewaldeten Habitaten erkennbar; in diesem Zeitraum ist auch die Strukturdiversität in allen drei Beweidungsszenarien am größten. In der langfristigen Entwicklung ist der Beweidungsdruck entscheidend für die Habitatentwicklung. Die Beweidungsszenarien mit 0.15 und 0.2 GVE (Szenario 1.3 und 1.4 in Abb. 2) haben eine ähnliche Strukturdiversität, auch wenn die Habitate sich deutlich unterscheiden. An den Wasserstellen und den stark exponierten Hängen sind offenere Habitate zu erkennen. Eine Etablierung von geschlossenem Kronendach ist nur bei einer Beweidung mit 0.1 GVE (Szenario 1.2 in Abb. 2) vorhanden.
Im moderat-trockenen Klimawandelszenario bleibt in naher Zukunft (2030 AD) die Landschaft ebenfalls durchgehend unbewaldet. In mittlerer Zukunft (2050 AD) ist die Entwicklung zu spärlich bewaldeten Habitaten erkennbar, in diesem Zeitraum ist auch die Strukturdiversität von allen drei Szenarien am größten. Die Beweidungsszenarien mit 0.1 und 0.15 GVE (Szenario 2.3 und 2.4 in Abb. 2) haben eine ähnliche Strukturdiversität, auch wenn die Habitate sich in ihrer Waldbedeckung unterscheiden. Eine Etablierung von geschlossenem Kronendach ist in keinem Beweidungsszenario vorhanden.
Baum- und Feldschicht in den Beweidungsszenarien
Im moderat-feuchten Klimawandelszenario etabliert sich zuerst die Strauchschicht, welche vor 2100 AD ihren Höhepunkt an Deckung im Tagebau Schöningen erreicht. In ferner Zukunft sinkt der Anteil der Strauchschicht ab und konzentriert sich auf die steilen Hänge im Tagebau. In allen drei Szenarien etablieren sich die Pionierbaumarten Zitterpappel (Populus tremula), Hängebirke (Betula pendula) und Waldkiefer (Pinus sylvestris), welche in ferner Zukunft wieder leicht zurückgehen. Die Traubeneiche (Quercus petraea) etabliert sich als einzige Baumart aus der potenziell natürlichen Vegetation. Die Bereiche um die Wasserstellen im Osten des Tagebaus bleiben in ferner Zukunft immer baum- und strauchfrei. Eine Etablierung von Hainbuche (Carpinus betulus), Buche (Fagus sylvatica) und Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus) findet in keinem Szenario statt. Die Feldschicht etabliert sich in allen Beweidungsszenarien. Das produktive und das magere Grünland haben eine ähnliche Deckung und sind in ferner Zukunft am wenigsten vertreten. Die Brache und die Waldbodenflora laufen gegensätzlich zueinander. In Szenario 1.4 (0.2 GVE) überschreitet die Deckung der Waldbodenflora die der Brache nicht.
In ferner Zukunft sinkt im moderat-trockenen Klimawandelszenario der Anteil der Strauchschicht in allen Szenarien ab und konzentriert sich auf die steilen Hänge im Tagebau. In allen drei Szenarien etablieren sich die Pionierbaumarten Zitterpappel (Populus tremula), Hängebirke (Betula pendula) und Waldkiefer (Pinus sylvestris). Die Waldkiefer (Pinus sylvestris) ist immer am stärksten vertreten, wird allerdings mit der Zunahme an Beweidungsintensität reduziert. Die Traubeneiche (Quercus petraea) etabliert sich nur im Szenario 2.4 mit 0.15 GVE als einzige Baumart der potenziell natürlichen Vegetation leicht.
Das produktive und das magere Grünland kommen bei einer stark extensiven Beweidung von 0.05 GVE nur mit einer sehr geringen Deckung vor. Auch in diesem Klimawandelszenario verlaufen Brache und Waldbodenflora gegensätzlich. In der räumlichen Verteilung ist das Grünland in den flach exponierten Teilen des Tagebaus etabliert, während die Brache am stärksten an den Hangstufen vorkommt.
Diskussion und Ausblick
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Modellberechnungen in WoodPaM die Reallandschaft möglichst genau wiedergeben, aber einzelne Punkte in einem sehr komplexen Ökosystem nicht berücksichtigt werden können. Die Ergebnisse geben Anhaltspunkte zum zukünftigen Umgang mit dem Tagebau Schöningen und können gegebenenfalls auf weitere Tagebaue übertragen werden. Ziel ist es darzustellen, wie sich die Habitate im Tagebau mit und ohne Megaherbivoren unter Klimawandeleinfluss verändern. Dies kann mit den erzielten Ergebnissen dargestellt werden.
Die Megaherbivoren haben einen großen Einfluss auf den Tagebau Schöningen. Die Vegetationsmuster werden deutlich differenzierter als bei fehlender Beweidung. Bei einer starken Beweidung von 0.2 GVE im moderat-feuchten und 0.15 GVE im moderat-trockenen Klimawandelszenario kommt es kaum noch zu Waldaufkommen und die Landschaft ähnelt einer Steppe. Aus den Simulationen kann geschlossen werden, dass mit einer geringen Beweidungsintensität ein stabiles Ökosystem entwickelt werden kann. Um die Tiere zu ernähren, muss eine Zufütterung stattfinden, da der Tagebau in naher und auch in mittlerer Zukunft zu wenig Futter bietet.
Eine prähistorische Landschaft kann insofern nachempfunden werden, als dass die Tiere möglichst wild und in ihren Herdenstrukturen leben. Außerdem wird die Landschaft durch die verschiedenen Äsergemeinschaften geprägt. Die Wildnis leistet nicht nur ihren Beitrag zur Biodiversitätsstrategie, sondern auch zum Biotopverbund des Grünen Bandes und dem Tourismus in Schöningen.
Die landschaftliche Gestaltung des Tagebaus Schöningen ist vor allem von der Beweidungsintensität abhängig. Wenn keine Maßnahmen wie Beweidung oder eine mechanische Pflege erfolgen, wird sich auf lange Sicht im Tagebau ein homogener Wald entwickeln. Dadurch gehen viele offene und halboffene Lebensräume verloren. Eine Art Wildnisgebiet mit Beweidung kostet im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der Offenhaltung weniger. Trotzdem ist zu bedenken, dass die Tiere versorgt werden müssen.
Nicht nur im Tagebau Schöningen entstehen in naher Zukunft Bergbaufolgelandschaften, welche renaturiert, rekultiviert oder mit Grundwasser volllaufen gelassen werden. Diese Landschaften bieten ein großes Potenzial für die Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategie. Die Tagebaurestlöcher sind oftmals noch deutlich größer als der Tagebau Schöningen und können durch die Renaturierung in Form von Wildnis CO2 in der Landschaft speichern. Dies entspricht dem Sinn der europäischen Biodiversitätsstrategie, welche darauf abzielt, durch funktionierende Ökosysteme CO2 zu speichern (Europäische Kommission 2020).
Die Landschaft in Deutschland wird sich unter Klimawandeleinfluss verändern. Dadurch werden lichtere Wälder entstehen (Essl und Rabitsch 2013). Außerdem werden Arten durch zu hohe Temperaturen und zu wenig Wasser verdrängt werden. Andere Arten können sich besser etablieren. Wildnisgebiete sind nicht die Lösung für den Klimawandel. Aber weitestgehend durch den Menschen unberührte Bereiche bieten Raum für neue Landschaften und können der Forschung im Bereich Klima und Ökologie zukünftig weiterhelfen.
Somit ist mit dem Tagebau Schöningen eine weitere Fläche in Deutschland vorhanden, um in der europäischen Biodiversitätsstrategie Umsetzung zu finden. Mit einer Vermarktung des Fleisches kann außerdem Gewinn eingebracht werden. Zusätzlich kommen in den nächsten Jahren viele aufgegebene Braunkohletagebaue hinzu. Es liegt also an der Umsetzung und dem Engagement, sich für die Biodiversität und die Natur einzusetzen. Der Klimawandel sollte dabei immer mitberücksichtigt werden, allerdings kann dieser, im Gegensatz zur Ausweisung von Wildnisgebieten, nicht stark beeinflusst werden.
Danksagung
Abschließend danke ich Herrn Dr. Jordi Serangeli für die Anregung, dieses Thema als Bachelorarbeit aufzugreifen sowie für seine Hilfe bei der Schaffung von lokalen Kontakten und die intensive Betreuung vor Ort in Schöningen. Mein Dank gilt auch der Gesellschaft für Urgeschichte (GfU) für die Förderung meiner Arbeit durch die Übernahme der erforderlichen Fahrt- und Übernachtungskosten.
Literatur
Bunzel-Drüke, M., Böhm, C., Finck, P., Kämmer, G., Luick, R., Reisinger, E., Riecken, U., Riedl, J., Scharf, M. und Zimball, O. 2008: “Wilde Weiden“. Praxisleitfaden für Ganzjahresbeweidung in Naturschutz und Landschaftsentwicklung. 1. Aufl. Bad Sassendorf-Lohne: Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V.
Ellenberg, H., Weber, H. E., Düll, R., Wirth, V., Werner, W. und Paulissen, D. 1992: Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa. Indicator values of plants in Central Europe. 2. verb. und erw. Aufl. Scripta geobotanica 18. Göttingen: Goltze.
Essl, F. und Rabitsch, W. (Hg.) 2013: Biodiversität und Klimawandel. Auswirkungen und Handlungsoptionen für den Naturschutz in Mitteleuropa. Berlin: Springer Spektrum.
Europäische Kommission (Hg.) 2020: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. EU-Biodiversitätsstrategie für 2030. Mehr Raum für die Natur in unserem Leben. Brüssel.
Gillet, F. 2008: Modelling vegetation dynamics in heterogeneous pasture-woodland landscapes. Ecological Modelling 217, 1–18.
Rosenthal, G., Mengel, A., Reif, A., Opitz, S., Schoof, N. und Reppin, N. 2016: Umsetzung des 2%-Ziels für Wildnisgebiete aus der Nationalen Biodiversitätsstrategie. BfN-Skripten 422. Bonn: Bundesamt für Naturschutz.
Sturm, P., Zehm, A., Baumbach, H., Brackel, W. von, Verbücheln, G., Stock, M. und Zimmermann, F. 2018: Grünlandtypen. Erkennen – Nutzen – Schützen. Unter Mitarbeit von R. Zintl, O. Schwarzer und J. von Brackel. Wiebelsheim: Quelle & Meyer Verlag.