A Hand-axe from Lake Schmiechen, District Alb-Donau

This short essay describes the single find of a hand-axe from the Swabian Jura, which had been discovered through ornithological studies already about 1960.
Kurt Wehrberger

Eberhardtstr. 44
89073 Ulm
kurt_wehrberger@t-online.de

Abstract

This short essay describes the single find of a hand-axe from the Swabian Jura, which had been discovered through ornithological studies already about 1960. It took several decades until the find could be examined at Museum Ulm and identified as an artifact from Middle Palaeolithic times. The find spot was situated near lake Schmiechen, which is known as one of the most interesting nature reserve zones in Baden-Württemberg. In the close vicinity of the lake, only the presumed Kogelstein cave ruin in the Schmiechtal Valley have yielded finds from the Middle Palaeolithic period on the basis of excavations, as well as the Hohle Fels in the Ach Valley, where several layers from this period are documented. This type of artifact is – except from larger series from cave-sites in the eastern part of the Swabian Jura – rarely known from the region. Due to our current knowledge hand-axes belong to a later phase of the Middle Palaeolithic of the Swabian Jura.


Zu den interessantesten Naturschutzgebieten Baden-Württembergs zählt der Schmiechener See zwischen Schelklingen und Allmendingen auf der Mittleren Schwäbischen Alb. Das nur ca. 50 ha umfassende, flache Gewässer ohne oberirdischen Abfluss liegt in einer bis zu 35 m mächtigen Seeton- und Mergelschicht in einem Mäander des eiszeitlichen Ur-Donautales. Gespeist wird der maximal gut zwei Meter tiefe See mit sumpfigen Randbereichen lediglich von Regenfällen und Oberflächenwasser aus dem südöstlich anschließenden Siegental. Die Umgebung des Sees gilt als Biotop für seltene Pflanzen und Tierarten – Insekten, Amphibien und Vögel.

Ornithologischen Studien in diesem als Vogelschutzgebiet ausgewiesenen Terrain zu verdanken ist ein archäologisch bemerkenswerter Zufallsfund von Fritz Unseld aus Ulm, der den Schmiechener See seit Jahrzehnten wiederholt aufgesucht hat. Im Herbst 2000 legte mir Herr Unseld bei einem Termin im Ulmer Museum neben wenigen Oberflächenfunden aus neolithischen Fundstellen der Region ein Steinartefakt vor, das er bereits in der Zeit um 1960 am Südostrand des Sees aufgelesen hatte. Bei dieser ersten Begutachtung hatte ich den Fund zunächst ebenfalls als mutmaßlich jungsteinzeitlich taxiert. Im Zuge der Aufarbeitung alter Fundmeldungen im Jahre 2018 bekam ich aufgrund der auffälligen Form und Zurichtung jedoch Zweifel an dieser Datierung und hielt das Stück eher für einen mittelpaläolithischen Faustkeil. Dazu hatte ich zuerst Claus-Joachim Kind vom Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg konsultiert, der meine Vermutung bestätigte, auch wenn eine Unterscheidung bifaziell gearbeiteter mittelpaläolithischer Artfeakte von neolithischen nicht immer einfach ist. Der Fund wurde daraufhin dem Landesamt gemeldet und ist seither – samt Zeichnung und Fotos sowie näheren Angaben zum Verbleib beim Finder – in der archäologischen Datenbank (ADAB) des Landes registriert.

Die Fundstelle des Faustkeils lag südöstlich des Schmiechener Sees in der Flur Aspach auf Allmendinger Gemarkung (Abb. 1, 3). Wegen des langen Zeitraums zwischen Entdeckung und Vorlage sowie Identifizierung war die Fundsituation vor Ort nicht mehr überprüfbar. Zum Zeitpunkt der Entdeckung war der Fundort nach Angaben des Finders ein Wiesengelände, bei einer Begehung 2018 bot er sich als Ackerfläche dar.

Der mandelförmige Faustkeil misst 10,4 cm in der Länge, 4,9 cm in der Breite und 2,0 cm in der Dicke. Gefertigt ist er aus Jurahornstein. An der Spitze zeigt er eine kleine rezente Beschädigung, ansonsten ist die die Oberfläche durchgehend hellgelblich patiniert, mit wenigen kleinen rostfarbenen Stellen (Abb. 2). Eine, wenn auch eher kleinräumige Verlagerung des Stückes durch landwirtschaftliche Tätigkeiten ist daher nicht auszuschließen.

Aerial view of lake Schmiechen from south-east during high water (March 2018)
Fig. 1: Aerial view of lake Schmiechen from south-east during high water (March 2018). The find-spot of the hand-axe was situated near the country lane, which leads from the centre of the photo to the east. Photo: W. Löderbusch, copyright RP Tübingen, Ref. 56 Naturschutz und Landschaftspflege.
Hand-axe from Lake Schmiechen
Fig. 2: Hand-axe from Lake Schmiechen, L max. 10,4 cm. Drawing: P. Wischenbarth, photo K. Wehrberger, copyright Museum Ulm.

Im engeren Umkreis des Schmiechener Sees liegen der Gansersfelsen und der Kogelstein, etwas weiter entfernt sind der Hohle Fels Hütten und der Schmiechenfels im Schmiechtal sowie der Hohle Fels im Tal der Ach (Conard et al. 2015, 121-138; Hahn 1995). Die Lage des 1906 von R.R. Schmidt angegrabenen Gansersfelsen ist nicht völlig gesichert. Schmidt und Wagner verorteten ihn in der Achtalschleife beim ehemaligen Kloster Urspring und gingen von seiner Zerstörung durch Bauarbeiten in jüngerer Zeit aus (Wagner 1979, 126-128.). Spätere Forscher identifizieren eine kleine Höhle östlich des Schmiechener Sees direkt oberhalb der Straße von Schelklingen nach Ringingen als Gansersfelsen (Hahn 1995, 99; Karle 1997), der auch auf den topografischen Kartenblättern an dieser Stelle verzeichnet ist (Abb. 3).

Vom Hohle Fels Hütten, vom Schmiechenfels wie vom Gansersfelsen sind außer eiszeitlichen Faunenresten lediglich jungpaläolithische Steinartefakte des Magdalénien bekannt. Ausschließlich mittelpaläolithische Funde stammen vom Kogelstein, einem Felsrücken im Schmiechtal nordnordwestlich des Schmiechener Sees (Abb. 3). Erste Funde darunter Tierreste und einige Steinartefakte, wurden Anfang des 20. Jahrhunderts geborgen, als das Felsmassiv im Zuge von Bahnbauarbeiten gesprengt worden war. Neuere Untersuchungen durch das Landesamt für Denkmalpflege (Kind 1997; Böttcher et al. 2001) erbrachten den Nachweis einer kleinen Höhle am Südrand dieses Felsmassivs, das wohl wiederholt von Neandertalern auf ihren Jagdzügen aufgesucht worden war.

Am weitesten vom Schmiechener See entfernt liegt in nordnordöstlicher Richtung im Achtal der Hohle Fels, in dem erstmals 1870/71 planmäßige Ausgrabungen durch Oscar Fraas stattfanden (Abb. 3). Die in jüngerer Zeit vor allem durch ihre spektakulären figuralen Kunstobjekte aus dem frühen Jungpaläolithikum bekannte Höhle hat bei regelmäßigen jährlichen Ausgrabungen im Eingangsbereich durch die Universität Tübingen seit 1997 auch mehrere mittelpaläolithische Schichten (AH VI-XII) erbracht (Conard und Janas 2024).

map of palaeolithic sites near Lake Schmiechen
Fig. 3: Palaeolithic sites near Lake Schmiechen (1 Single-find hand-axe, 2 Kogelstein, 3 Hohle Fels, 4 Gansersfelsen). DTK25, numbering added, Geobasisdaten copyright LGL, www.lgl-bw.de.

Vergleichbare Steinartefakte sind jedoch weder unter den Funden vom Kogelstein noch im reichhaltigen lithischen Fundmaterial aus den Schichten des Mittelpaläolithikums im Hohle Fels vorhanden. Dort finden sich wie in fast allen mittelpaläolithischen Höhlenfundstellen der Schwäbischen Alb überwiegend aus einfachen Abschlägen und zum Teil nach dem Levalloiskonzept gefertigte Steingeräteformen. Das gilt auch für Oberflächen- bzw. Freilandfunde der mittleren und östlichen Schwäbischen Alb. Dort sind bifazielle, mutmaßlich mittelpaläolithische Formen, meist von nur geringer Größe, die Ausnahme unter den Steingeräten (Floss und Schürch 2015; Floss et al. 2015). Kerngeräte wie der Faustkeil vom Schmiechener See sind nur aus wenigen Fundplätzen der Schwäbischen Alb bekannt. Neuere Analysen des Steingeräteinventars der Schichten 2-11 der 1960 bis 1964 ausgegrabenen Großen Grotte bei Blaubeuren erbrachten unter rund 40 bifaziell bearbeiteten Geräten etliche Keilmesser (Frick et al. 2022; Wagner 1983). Zu einem Keilfragment aus neueren Nachgrabungen in der Brillenhöhle bei Blaubeuren (Tafelmaier et al. 2021, 67) gesellen sich einige Exemplare von der Heidenschmiede und ein einzelner Oberflächenfund aus der Nähe von Heidenheim (Conard 2000; Conard et al. 2015, 235-239; Frick et al. 2022). Das mit Abstand größte Inventar an Keilmessern stammt von der Bocksteinschmiede im Lonetal (Wetzel und Bosinski 1969). Stellvertretend für die bislang generell geringe Zahl von einzelnen Faustkeilfunden in Baden-Württemberg seien an dieser Stelle mehrere Exemplare aus Oberflächenbegehungen im Remstal genannt (Wagner 1996). Sowohl in Bezug auf das Rohmaterial Jurahornstein wie in Größe und Zurichtung sind sie vergleichbar mit dem Faustkeil vom Schmiechener See.

Eine nähere zeitliche Einordnung des Faustkeils ist aufgrund der Fundumstände sowie der aktuellen Quellenlage zum Mittelpaläolithikum auf der Schwäbischen Alb nicht möglich. Meistens werden Fundkomplexe mit bifaziellen Werkzeugen in das späte Mittelpaläolithikum datiert, eine ältere Zeitstellung nach Ende der letzten Warmzeit ist allerdings nicht ausgeschlossen (Çep 2019; Conard 2000; Conard et al. 2015, 64-72).

Als Einzelfund ist eine Bewertung des Faustkeilfundes vom Schmiechener See nur eingeschränkt möglich. Aus der unmittelbaren Umgebung des Sees, dessen Wasserfläche und damit Uferlinie sicher auch während der letzten Eiszeit jahreszeitlichen Schwankungen unterlag, waren bisher keine altsteinzeitlichen Funde bekannt. Die Fundsituation im Bereich der Mündung des Siegentals könnte darauf hindeuten, dass er dort von Neandertalern während der Jagd auf Großwild, welches das Seeufer als Tränke aufsuchte, zurückgelassen wurde.

Literatur

Böttcher, R., Çep, B., Kind, C.-J., Mörike, D., Pawlik, A., Rähle, W., Steppan, K., Torke, R., Torke, W. und Ziegler, R. 2000: Kogelstein – eine mittelpaläolithische Fundstelle bei Schelklingen-Schmiechen. Fundberichte aus Baden-Württemberg 24, 7–176.

Çep, B. 2019: Das Mittelpaläolithikum auf der Schwäbischen Alb. In: M. Baales und C. Pasda (Hrsg.), “All der holden Hügel ist keiner mir fremd…” Festschrift zum 65. Geburtstag von Claus-Joachim Kind. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie Band 327. Bonn 2019, 99–107.

Conard, N. J. 2000: Ein Faustkeil von der Winterhalde bei Heidenheim-Schnaitheim. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1999. Stuttgart, 20–21.

Conard, N. J., Bolus, M., Dutkiewicz, E. und Wolf, S. 2015: Eiszeitarchäologie auf der Schwäbischen Alb. Die Fundstellen im Ach- und Lonetal und in ihrer Umgebung. Tübingen Publications in Prehistory. Tübingen: Kerns Verlag.

Conard, N. J. und Janas, A. 2024: Funde aus dem Mittelpaläolithikum und eine neue Elfenbeinfigurine aus dem Aurignacien vom Hohle Fels. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2023. Stuttgart, 58–63.

Floss, H. und Schürch, B. 2015: Paläolithische Oberflächenfunde von der Blaubeurer Alb. Mitteilungen der Gesellschaft für Urgeschichte 24, 121–140.

Floss, H., Fröhle, S., Poenicke, H.-W. und Wettengl, S. 2015: Die mittel- und jungpaläolithische Freilandfundstelle Börslingen-Eisenberg (Alb-Donau-Kreis). Archäologisches Korrespondenzblatt 45, 459–473.

Frick, J. A., Schürch, B. und Çep, B. 2022: Zur Forschungsgeschichte der Großen Grotte bei Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis). Archäologisches Korrespondenzblatt 52, 1–25.

Hahn, J. 1995: Eiszeitjäger am Schmiechener See. Beihefte Veröffentlichungen für Naturschutz und Landschaftspflege Baden-Württemberg 78, 99–109.

Karle, I. 1997: Das Magdalénien im Schmiechtal. Die Funde R. R. Schmidts. Magisterarbeit Universität Tübingen.

Kind, C-J. 1997: Die Ausgrabungen am Kogelstein bei Schmiechen, Gde. Schelklingen. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1996. Stuttgart, 22–27.

Tafelmaier, Y., Beutelspacher, T., Schmid, V. C. und Toniato, G. 2021: Neuuntersuchung der altsteinzeitlichen Fundstelle Brillenhöhle im Achtal. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2020. Stuttgart, 65–67.

Wagner, E. 1979: Eiszeitjäger im Blaubeurener Tal. Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg 6. Stuttgart.

Wagner, E. 1983: Das Mittelpaläolithikum der Großen Grotte bei Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis). Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg Band 16. Stuttgart.

Wagner, E. 1996: Die Remstalfaustkeile. In: I. Campen, J. Hahn und M. Uerpmann (Hrsg.), Spuren der Jagd – Die Jagd nach Spuren. Festschrift für Hansjürgen Müller-Beck. Tübinger Monographien zur Urgeschichte Band 11. Mo Vince: Tübingen, 247–251.

Wetzel, R. und Bosinski, G. 1969: Die Bocksteinschmiede im Lonetal (Markung Rammingen, Kreis Ulm). Veröffentlichungen des Staatlichen Amtes für Denkmalpflege Stuttgart, Reihe A, Heft 15. Stuttgart.